Von Katrin Bluhm

Reinbek.
Bahnhofstraße 9, die hochherrschaftliche Villa, gebaut aus rotem Backstein, verziert mit schönen, blitzweißen Stuckornamenten, flößt dem Passanten Respekt ein. Im vergangenen Jahr wurde sie zum Kauf angeboten, wechselte den Besitzer, und nun prangt ein breites Banner am Zaun: Haushaltsauflösungen. Auch im Internet wurde für den Verkauf bis zum heutigen Montag von 10 bis 18 Uhr geworben. Reißerisch heißt es: "Alles muss jetzt raus!" Von Porzellan über Muranogläser, Kristallleuchter, Wohn- und Schlafzimmer, Orientteppiche bis hin zu Gemälden und Antiquitäten reiche das Angebot. Die Experten und Sammler strömten nach Reinbek.

Wer die doppelflügelige Haustür passiert, gelangt in eine andere Welt. Begrüßt wird er von Gründerzeitleuchten, einem feudalen Treppenhaus und Meran Farschi. Er "verwertet" im Auftrag des Testamentsvollstreckers das komplette Inventar des Ehepaares Herzog. "Das ist schon ein außergewöhnlicher Auftrag", sagt Farschi, der sich die Unterstützung des ehemaligen Antiquitätenhändlers Rüdiger Stapel geholt hat.

Hat der Besucher den ersten Eindruck verkraftet, öffnet sich das Auge für die Details. Im zweiten Stock mit traumhaftem Blick auf den gepflegten Garten, der bis an die Bille heranreicht, das Boudoir der Hausdame: Kristalllüster an der Decke und an den Wänden sowie der verzierte, cremeweiße und meterlange Kleiderschranken lassen ein Leben ohne wirtschaftliche Nöte erahnen. Antike Uhren mit passenden Leuchtern, große Porzellanspiegel, verziert mit Putten und Blumen, Deckelvasen, zierliche Möbel bringen den Gast zum Staunen.

"Ich lass die Bilder nicht mehr los", sagt Susanne Hübner aus Harburg und hält die schönen Reproduktionen holländischer Genremalerei des 17. Jahrhunderts fest in den Händen. Sie war mit ihrem Mann bereits um 10.30 Uhr vor Ort. "Wer früh da ist, hat Vorteile", sagt sie. "Wir haben schöne Sachen gefunden", freut sie sich. Genauso wie Antiquitätensammlerin Renate Stanke. "Ich habe eine Louis-seize-Uhr gefunden, traumhaft schön", sagt sie und strahlt. "Es ist wie in einem Kinofilm." Im gleichen Moment kommt ihre Freundin Gerda Michels dazu und berichtet, dass sie sich mit Farschi einig wurde über den Preis eines feinen Woll-Teppichs. Michael Itzerott nennt nun eine Porzellan-Uhr mit einem orientalischen Edelmann sein Eigen. "Sie muss überarbeitet werden. Aber das ist kein Problem", weiß der Wohltorfer.

Das Team um Farschi und Stapel flitzt treppauf und treppab. Die Räumlichkeiten liegen im Souterrain, im ersten und zweiten Stock.

Wer kurz innehält, fragt sich schon: Wer hat hier gelebt? Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Denn wenig ist über das Ehepaar Herzog zu erfahren. Während sich der Hausherr Mitte der 1990er-Jahre das Leben nahm, erreichte seine Frau das stolze Alter von 106 Jahren und verstarb im vergangenen Jahr nach einem Unfall. Nicht einfach soll sie gewesen sein. Kinderlos. Gerüchte sagen die Erbschaft im zweistelligen Millionenbereich falle nun an den Staat.

Ich habe eine Louis-seize-Uhr gefunden, traumhaft schön. Es ist wie im Kinofilm. Renate Stanke, Antiquitätensammlerin