200. Geburtstag: Besuch beim Ururenkel Otto von Bismarcks, für den der berühmte Name Verpflichtung ist

Die Gruselgeschichte mit der klappernden Türklinke erzählt Gregor Graf von Bismarck erst zum Schluss. Der Nachkomme des ersten deutschen Reichskanzlers wohnt dort, wo auch Otto von Bismarck (1815-1898) in seinen letzten Jahren zu Hause war, in Friedrichsruh im Sachsenwald. Das Gebiet wurde dem Kanzler 1871 nach der Gründung des Deutschen Reichs von Kaiser Wilhelm I. geschenkt. Und dem Vorfahren Otto kann sich auch heute, 200 Jahre nach dessen Geburt am 1. April 1815, niemand der Bismarcks entziehen. Zum Jahrestag wird in Friedrichsruh eine Sonderbriefmarke herausgegeben und ein Familientag gefeiert, mit Lesung aus Bismarck-Anekdoten und einem Konzert im Mausoleum.

Als Kind, berichtet Graf Bismarck, waren es die persönlichen Erinnerungsstücke, die besonders beeindruckten, etwa die Stiefel des 1,90 Meter großen Ururgroßvaters, die heute im Museum stehen. "Wir dachten uns, Mensch, ist das ein Riese." Er fühlt sich Otto sehr verbunden, "weil er so viele Facetten hat". Ein von Doggen abgenagtes Sofa zeigt Gregor von Bismarck im original erhaltenen Arbeitszimmer des Reichskanzlers. Die Liebe zu Hunden habe er übernommen, sagt der 50-jährige Nachfahre und lacht. Ebenso wie das Interesse für Diplomatie und vielfältige Sprachkenntnisse. "Wir sind alle Europäer", findet der Graf und schmunzelt, "wir verbünden uns weiter in Europa." Schließlich hat er eine schwedische Großmutter, eine belgische Mutter und eine italienische Frau.

Auch in anderer Hinsicht tritt er in Ottos Fußstapfen: Die Idee, ein hochmodernes Holzkraftwerk zu errichten, baut letztlich auf des Urahns Werk auf, sogar auf demselben Gelände steht der Neubau. Auch die Liebe zur Natur hat sich über die Generationen erhalten. "Wir leben in einem wunderschönen Wald", findet von Bismarck. Im Sachsenwald befinden sich heute neben dem Wohnsitz der Familie im Herrenhaus auch das separate Bismarck-Museum, die Otto-von-Bismarck-Stiftung und das Mausoleum, in dem der Kanzler und seine Frau vor mehr als 115 Jahren die letzte Ruhe fanden. Ein stiller Ort, wenn auch direkt an der Bahnlinie gelegen, schließlich wollte der Reichsgründer auch nach dem Tode noch den "Finger am Puls" haben, erzählt der Ururenkel. "Hier werden wir alle in der Familie von Bismarck uns schlussendlich wieder treffen", schreibt er auf seinen Internetseiten.

Auf den Vorfahren lässt er nichts kommen. "Er hat versucht, niemanden zu isolieren, mit allen Mitteln der Diplomatie Spannungssituationen zu entspannen. Sein Gedanke, Deutschland zu vereinen, war ein sehr positiver. Der Rechtsstaat beruht auf seinen Prinzipien. Er ist der Vater unserer Nation." Dennoch, Otto von Bismarck ist für viele eine kontroverse Figur (siehe auch Seite 14), das sieht auch der Nachfahre. Um sich eine Meinung zu bilden, müsse man sich tief einlesen, rät er.

Der Name ist Verpflichtung. Als Kind im Geschichtsunterricht - "da fällt man schon besonders auf", erinnert er sich. Ein "tolles Erbe" sei das, einerseits. Andererseits sei es "sehr, sehr wichtig, ein eigenes Leben zu definieren und auf die Beine zu stellen". Und wenn er den Ahnen, den gewieften Diplomaten und "ehrlichen Makler", etwas fragen könnte? "Wie würdest du in gewissen Ländern Religion von Staat trennen, wenn es dort gegen die Religion ist, dies zu tun? Oder wie würdest du Frieden zwischen Israel und seinen Nachbarn erarbeiten? Oder: Wie bringen wir Frieden und nachhaltigen Wohlstand auf unsere Erde?"

Und was ist nun mit der klappernden Türklinke im Hause Bismarck? Die bewegt sich, wenn jemand etwas Lustiges gesagt hat, so wird erzählt. Erst dachten alle: der Luftzug, zu locker angebracht. Aber dann haben sie es überprüft: Da ist kein Luftzug. Nur der Atem der Geschichte.

Die in Friedrichsruh sitzende Otto-von-Bismarck-Stiftung, eine von fünf Politikergedenkstiftungen des Bundes, würdigt das Erbe des Staatsmannes heute mit einem Festakt im Schlüterhof des Historischen Museums in Berlin.