Trauerarbeit: Das Ehrenamt ist für Melanie Henningsen gelebte Achtsamkeit und Bereicherung

Es gibt Menschen, die fragen, ob sie das Mutter-Teresa-Gen habe. Nein, mit der Aura eines Gut-Menschen mag sich Melanie Henningsen nicht identifizieren. "Sich verantwortlich fühlen für andere, halte ich für normal. Man sollte es nur entsprechend seinem Talent tun", sagt Henningsen, 53 Jahre alte Kandidatin für den Bürgerpreis Bergedorf.

Krankheit, Tod und Trauer gehören für sie zum Alltag, denn sie ist seit 30 Jahren Krankenschwester in Vollzeit auf der Intensivstation im Bethesda Krankenhaus. Aber das allein füllt die alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen nicht aus. Ein Schicksalsschlag - der Tod ihrer Mutter - war der Auslöser dafür, mit ihrer Schwester ehrenamtlich im ambulanten Reinbeker Hospizverein aktiv zu werden.

Diese "Arbeit mit Schwerkranken und deren Angehörigen" ermögliche ihr, viel Zeit für die seelischen Bedürfnisse zu haben. "Wenn ich einen Menschen zu Hause oder im Heim besuche, habe ich nicht die Uhr im Nacken." Wichtig sei es, "zu 100 Prozent mit dem Herzen dabei zu sein, ehrliche Antworten geben zu können und Fragen zu stellen, die keine Plattitüden sind". Zuhören steht an erster Stelle: "Man muss sich zurücknehmen können, Schweigen in Situationen ertragen lernen, die keine Worte zulassen. Miteinander aushalten, was sonst der Sterbende mit sich selbst abmacht", weiß Henningsen.

Das neutrale Herangehen lernen Reinbeker und Bergedorfer Begleiter in einer monatelangen Schulung, bevor sie sich konfrontieren mit Emotionen und Ängsten, denen andere lieber aus dem Weg gehen. Häufig belaste Schwerkranke der Gedanke, wie der Partner nach dem eigenen Tod klarkommt.

Wer sich auf diese Nähe einlässt, muss selbst fest auf dem Boden stehen, hat Melanie Henningsen erfahren: "Private Baustellen haben da keinen Platz", sagt die Bürgerpreis-Nominierte, die bereits sechs Jahre lang in Lebenskrisen hilft.

Einmal im Monat trägt sie zudem dazu bei, dass das von der Bergedorfer und Reinbeker Hospizgruppe betriebene Trauercafé im Rickertsen-Haus für Hinterbliebene, Familienangehörige und Freunde von Toten ein Stützpfeiler in ihrer Trauer ist - ein mit bis zu 25 Gästen gut besuchter Treff. "Trauer hat ihr eigenes Tempo. Einige isolieren sich, andere stürzen sich in Arbeit. Viele Menschen kämpfen dabei mit Schuldgefühlen", sagt Melanie Henningsen.

Sie möchte Mutmacher und Motivator sein: "Wir lachen und weinen zusammen, entwickeln Ideen, sind aktiv." Im Mai gestaltet sie das Programm mit dem Thema "Reisen". Mittlerweile gibt es zum fünfjährigen Bestehen des Treffs eine Broschüre mit Kochrezepten, Gedichten, Meditationstexten. Henningsen hat noch Visionen: "Wir wünschen uns mehr Männer im Team, weil sich zum Beispiel Muslime nur von Begleitern besuchen lassen."

Und noch etwas treibt sie um: das Thema Sterben aus der Tabu-Zone zu holen. "Der Tod ist ins Krankenhaus gewandert - im Gegensatz zu früher, als in den eigenen vier Wänden gestorben wurde. Heute kommen Kinder selten in Berührung damit." Melanie Henningsen und ihre Mitstreiter wünschen sich deshalb eine Projektwoche "Hospiz in die Schulen". "Aber dafür brauchen wir mehr ehrenamtliche Kräfte."

Energien auftanken - das kann Henningsen in ihrem Garten, das Buddeln bedeutet für sie "produktives Meditieren". Ihr Zuhause ist ihr Nest. "Das Radio ist meistens aus, da ich Stille genießen kann." Ihr Ehrenamt sei für sie gelebte Achtsamkeit und Bereicherung, nie eine Verpflichtung.