Pferdeakademie: bz-Mitarbeiterin Lena Diekmann geht ins Training mit Vierbeinern

Nur ein zarter Zug am Halfter ist nötig, schon setzt der Koloss neben mir einen Huf vor der anderen. Er ist fuchsfarben, zehn Jahre alt, etwa 700 Kilogramm schwer und heißt "Little Joe": Der polnische Appaloosa-Kaltblut-Mix ist der "Cheftrainer" in der Herde von Verena Neuse. In der idyllischen Umgebung von Gut Sachsenwaldau hören vier Wallache auf ihr Kommando: Gemeinsam bilden die Zwei- und Vierbeiner ein eingespieltes Team, das es sonst selbst mit den härtesten Managern aufnimmt - heute darf ich ins Training gehen.

Vor zehn Jahren gründete die gebürtige Berlinerin Verena Neuse die Pferdeakademie, hat seit 2008 auf dem Gut Sachsenwaldau ihren Hauptsitz. Ihre Seminare richten sich vor allem an Führungskräfte - vom Nachwuchs bis zum erfahrenen Manager. Unter dem Leitsatz: "Ein Pferd sagt mehr als tausend Worte" sollen persönliche und soziale Kompetenzen geschult werden - die eine Führungskraft idealerweise besitzt. "So mancher Teilnehmer hat mich zunächst belächelt. Doch nach der ersten Begegnung mit den Pferden war das vergessen", sagt Verena Neuse.

Allerdings verspricht die 44-Jährige, als Betriebswirtin einst in der Immobilienbranche für die Schulung von Mitarbeitern zuständig, keine vorgefertigten Ergebnisse für einzelne Seminarteilnehmer - jeder muss für sich selbst entdecken, was aus dem Training mit den Vierbeinern mitgenommen wird. Also lasse auch ich mich unvoreingenommen auf die Pferde ein.

Das hölzerne Tor zur Halle öffnet sich und hinein trabt die vierköpfige Herde: Cheftrainer "Little Joe", Hannoveraner-Wallach "Walter", Schecken-Pony "Offinio" und der Kleinste - Shetlandpony "Fritz von Brandenburg". Auch wenn ich einst bei Wind und Wetter über die Weiden der ostfriesischen Heimat galoppierte, habe ich heute Respekt vor den großen Wesen - vor allem, wenn sie frei um mich herum rennen und toben.

Doch schon in der ersten Übung nimmt "Little Joe" mir alle Hemmungen. An einem Strick soll der Wallach durch die Halle geführt werden: Eine gerade Strecke entlang, eine große Runde drehen und Slalom durch rote Plastikhütchen. Ich rede ihm gut zu, schließlich wird das ganze Schauspiel von Seminarleiterin Verena Neuse gefilmt, beobachten mich die anderen Teilnehmer. Es wirkt: Auch wenn der Führstrick entspannt durchhängt, trottet der Wallach bereitwillig neben mir her. Selbst als im nächsten Durchgang der Führstrick vom Halfter gelöst wird, folgt "Little Joe" mir durch das Hallenrund. Schulter an Schulter laufen wir nebeneinander durch den Sand, meistern sogar die Schikanen, ohne dass das Pferd mir von der Seite weicht. Als wir schließlich das Ende der Runde erreicht haben, steigt mir ein breites Grinsen ins Gesicht. Wie Verena Neuse in ihrem Leitsatz versprochen hat, hat "Little Joe" mir durch sein Verhalten ein wortloses Feedback gegeben. Er hat mir gezeigt, dass er mich in dem Moment als Anführer akzeptiert, ich ihn durch mein selbstsicheres, aber auch diplomatisches und gesprächsbereites Auftreten dazu bewegen kann, mir zu folgen. Und solch eine Rückmeldung von einem 700 schweren Koloss zu bekommen, den ich keinen Meter weit bewegen könnte, wenn er nicht wollte, schenkt Selbstvertrauen und Mut.