Soziologin stammt selbst aus Fernost

Vor 14 Jahren zog Helena Gatzke mit ihren Eltern von Wladiwostok am Pazifik ins 11 245 Kilometer entfernte Winsen (Luhe). "Alles war anders, die Straßen, die Häuser", erinnert sich die Spätaussiedlerin an die ersten Eindrücke. Die heute 31-Jährige weiß genau, wie es sich anfühlt, ohne Sprachkenntnisse in einem fremden Land anzukommen. Das hat ihren späteren Berufswunsch geprägt: "Es war mir wichtig, mich für Menschen mit Migrationshintergrund einzusetzen." Und diese pädagogische Mission erfüllt die Soziologin und Erziehungswissenschaftlerin seit zwei Wochen im Auftrag der Stadt.

Die Teilzeitstelle der beim Landesverband der Arbeiterwohlfahrt angestellten Flüchtlingsbetreuerin wird von Reinbek finanziert. Drei Tage die Woche hilft die gebürtige Russin Flüchtlingen, die ersten Alltagshürden zu bewältigen - von der Begleitung in die Notunterkunft über den Arztbesuch bis zur Anmeldung der Kinder in Schulen oder Kitas. Nebenbei studiert sie für ihren Master. Deutsch spricht Helena Gatzke inzwischen perfekt, dazu Russisch und Englisch. "Meine Russischkenntnisse konnte ich bereits anwenden. Heute ist eine Spätaussiedlerfamilie eingetroffen." Schwierig ist die Verständigung mit der albanischen Familie, die noch im Rathaus wohnt. "Sie sprechen nur Albanisch."

Menschen, die aus Afghanistan, Iran, Irak oder Syrien nach Deutschland kommen, hilft seit 2013 Mahmood Nabavi als Sprachmittler für Persisch, Dari, Türkisch und Aserbaidschanisch. "Das ist eine große Hilfe", sagt Gatzke, die sich noch einarbeitet. Zum 1. April will sie in ein Büro in der "Gelben Villa" im Schwesternpark wechseln, in die auch Flüchtlinge einziehen. Dort wird sie Anlaufstelle sein.

Mit der Finanzierung der Stelle eines Sprachmittlers und der pädagogischen Betreuung möchte die Stadt in Zusammenarbeit mit der Awo-Migrationssozialberatung in Glinde den gesetzlichen Auftrag zur Unterbringung mit humanitären Hilfen verbinden. Denn die steigende Zahl von Flüchtlingen und die Tatsache, dass etwa 80 Prozent in Deutschland bleiben, stellen die Kommunen vor große Herausforderungen an Betreuung und Integration, so Michael Treiber. Der Leiter der Awo Interkulturell hatte das Betreuungskonzept bei der Stadt vorgestellt.

Gatzke, die über die "Otto Benecke Stiftung" die Chance erhielt, Deutsch zu lernen und das Abitur zu schaffen, weiß von Migrationssozialberaterin Julia Kaus, dass die Sprache die größte Hürde ist. "Alle Flüchtlinge fragen nach Deutschkursen", sagt Kaus. Sie freut sich, dass in Reinbek, durch Ehrenamtliche organisiert, jeder in einen offenen Kursus einsteigen kann.