Reinbek (voe). Wladimir Kaminers Konzept ist nicht neu: Auch Komiker und Moderator Bernd Stelter sowie “Spaßversteher“ Guido Cantz stießen in ihrer Eigenschaft als Väter schon auf einen üppigen Fundus von Anekdoten, die sich für abendfüllende Programme eigneten.

Dass Kaminer im vergangenen Jahr mit seinem Buch "Coole Eltern leben länger" nachzog, überrascht nicht wirklich. Immerhin hatte er zuvor schon seiner "kaukasischen Schwiegermutter" und "Onkel Wanja" jeweils einen Schmöker gewidmet und das ein oder andere "Familiengeheimnis" preisgegeben.

Der 47-Jährige gibt mit seiner jüngsten Lektüre dennoch spezielle Einblicke. Das bewies er auf Einladung der Buchhandlung Erdmann im ausverkauften Festsaal des Schlosses. Der gebürtige Moskauer erinnert zuweilen gern an seine Sozialisation in der ehemaligen Sowjetunion.

Wenn Außenstehende ihn als Migranten wahrnehmen, haut er ihnen die Klischees um die Ohren: "Natürlich ist der Winter in Russland so kalt, dass vier Finger jeder Hand abfrieren", säuselt er in seinem sympathischen Akzent. "Und die abgefrorenen Finger werden dann in Teigtaschen verarbeitet."

Der Zuhörer erfährt später, dass "nicht alle Russen aus Sibirien kommen" und seine Kinder genauso auf Internet, soziale Netzwerke, Schulschwänzen und Lateinhassen stehen wie alle Konsum-Kids. Später kommt dann doch wieder die Oma ins Spiel, die Maschinenbau studiert hat, oder Kaminers Papa: "Der musste früh aufstehen, weil er zwei Stunden zur Arbeit brauchte. Er wurde täglich um sechs Uhr mit der Hymne der Sowjetunion aus dem Radio geweckt." Alle Versuche, seine pubertierenden Kinder mit diesen Vorbildern zu disziplinieren, scheitern jedoch. Als Sohn Sebastian jammert: "Boah, das Wachsen geht mir in die Knochen!", schießt der dezente Hinweis des Papas ins Leere: "In der Sowjetunion wurden alle Kinder von den Eltern regelmäßig langgezogen."

Kurioserweise werden gerade der "Russendisco"-Autor und seine russische Ehefrau zu einer Reise nach Brasilien eingeladen, um mit seinem Bestseller für die deutsche Sprache zu werben. Die jugendlichen Geschwister machen das, was alle Kinder machen, wenn sie das erste mal "sturmfrei" haben: Sie nehmen die Wohnung auseinander. "Wo steht eigentlich unser Staubsauger?" fragt Tochter Nicole ins Telefon. Ganz normal. Normal ist auch, dass sich Mädchen in Nicoles Alter gleichaltrige Mädchen nach Hause einladen. Die Spleens der anderen Eltern im "ungeheuer gut geregelten Deutschland" kann aber niemand so gut auseinandernehmen wie Kaminer: "Die Mutter von Frederike will nicht, dass Frederike das Baby anfasst - Frederike könnte ja geraucht haben. Bloß alles Unreine aus der Welt schaffen!"

Auch Kaminers neues Buch ist wieder eine Reise durch zwei Welten. Kurzweilige Erzählkunst, die die Gäste mit lang anhaltendem Applaus quittierten. Zur Freude aller signierte der studierte Dramaturg dann noch seine Bücher und CDs.