Alternative zur teuren Metropole

Explodierende Immobilienpreise in Großstädten machen das Wohnen für viele Menschen unbezahlbar. "Gentrifizierung", die Verdrängung alter Bewohner aus ihren Vierteln und die damit einhergehende Veränderung der Stadtteile, ist aktueller denn je. Dr. Martin Pries von der Leuphana-Universität Lüneburg beschäftigt sich als Kulturwissenschaftler mit dem Phänomen und ist morgen, 19.30 Uhr, für einen Vortrag bei der Freien Lauenburgischen Akademie (FLA) im Angerhof (Hauptstraße 18 d) zu Gast. Er selbst hat viele Jahre in Bergedorf gewohnt und ist Gründungsmitglied der FLA. Der 57-Jährige wird den Wandel am Beispiel Hamburgs thematisieren und reißt im Interview mit unserer Zeitung das Problem an.

Hat das Thema für Städte und Gemeinden im Umland überhaupt eine Bedeutung?

Prof. Martin Pries:

Ja, das Statistische Bundesamt weist dem Umland aufgrund der Wanderung im Zuge der Gentrifizierung bis 2025 ein zweistelliges Bevölkerungswachstum aus. Für Hamburg wird es einstellig prognostiziert.

Werden Menschen mit durchschnittlichem Einkommen längere Arbeitswege in Kauf nehmen müssen?

Der sogenannte suburbane Raum wird für viele der Wohnraum der Zukunft. Vor allem Städte wie Lüneburg, die eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr haben und von denen Hamburg in 30 Minuten mit der Bahn zu erreichen ist, werden eine Alternative zur Metropole. Vor diesem Hintergrund wird es auch wichtig, die Pendlerströme von der Straße zu holen und den öffentlichen Nahverkehr auszubauen.

Heißt das, dass die Stadt als Wohnraum Investoren und Reichen überlassen wird?

Wenn wir einen freien Markt haben, entscheiden letztlich die Investoren und Menschen, die mehr Geld haben. Die HafenCity zum Beispiel, hat für den Hamburger Wohnungsmarkt fast keine Bedeutung, wird international verkauft.

Welche Instrumente könnten bezahlbaren Wohnraum in der Stadt schaffen?

Die Mietpreisbremse halte ich für ein populistisches Schwert. Früher baute die öffentliche Hand selbst. Das Geld hat sie zurzeit nicht. So sehe ich Chancen vor allem im genossenschaftlichen Wohnungsbau und in der Auflage an Investoren, einen Teil der Bauvorhaben als geförderten Wohnraum zu realisieren.

Funktioniert das?

Politisch wäre das durchsetzbar, und Genossenschaften sind einfach zu gründen. Es finden sich aber zunehmend weniger junge Menschen, die sich aufgrund des Arbeitsmarktes langfristig binden können. Und die bestehenden Genossenschaften verwalten eher ihren Bestand.

Gibt es auch Fehler vonseiten der Politik, die das Problem verschärfen?

Ja, aufgrund des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes werden bundesweit Häuser in Styropor eingepackt. Abgesehen vom Entsorgungsproblem und Auswirkungen auf die Bausubstanz ist das ein Hebel, den Eigentümer ansetzen, um die Mieten zu erhöhen.