Ökumene: Seit 20 Jahren zeigt die Gemeinde Wentorf, wie Zusammenleben geht

. "Wir gehören als Bürger einer Gemeinde zusammen, egal welchen Glaubens." - davon ist Hilde Lamersdorf überzeugt. Sie selbst ist Katholikin und war eine der treibenden Kräfte, die dafür gesorgt haben, dass Katholiken und Protestanten in Wentorf näher zusammenrücken. Die bedeutungsvollste Gemeinsamkeit: Sie treffen sich unter einem Kirchendach und das nun genau seit 20 Jahren.

Bis dahin hatten die Wentorfer Katholiken, deren eigentliche Pfarrkirche in Reinbek ist, eine Heimat in der Kapelle der Kaserne gefunden. Der damalige Pastor Pater Nowoisky kümmerte sich nicht nur um die Soldaten und deren Familien, sondern auch um katholische Zivilisten. Dass die auch einen Zugang zur Kapelle auf dem Kasernengelände hatten, war in den 70er-Jahren eine Besonderheit.

Als die Kaserne in Wentorf vor 20 Jahren ein Fall für die Geschichtsbücher wurde, waren auch die Katholiken heimatlos. Doch nicht lange. Denn die Martin-Luther-Gemeinde nahm sie auf. Trotz aller Herzlichkeit verlief das damals nicht ganz ohne Reibereien. Als die Marienstatue mit einziehen sollte, murrten einige. In den Kirchraum - nein, das war keine Option. "Nun steht die Marienstatue im Kirchgang und hat dort eigentlich den präsenteren Platz", sagt der ehemalige Pastor Hauke Schröder. Und er erinnert sich weiter: "Die Katholiken stellen immer so prachtvolle Blumensträuße zu Füßen der Maria auf. Der auf unserem Altar schien mir dagegen eher klein. Wenn ich sonnabends den Gottesdienst vorbereitete, habe ich einfach die Blumensträuße ausgetauscht und nach dem Gottesdienst wieder zurück gebracht", gibt er Jahre später verschmitzt zu. 25 Jahre lang war er Pastor in Wentorf und hat die Zeit des gegenseitigen Kennenlernens aktiv mit geprägt.

Viele Veranstaltungen sind heute aus Wentorf nicht mehr wegzudenken. Der Martinstag mit Ross und Reiter genauso wenig wie die Sternsinger, der Gemeindetag oder die Passionsandachten. Wie eh und je wird alle 14 Tage im Gemeindesaal meditativ getanzt. "Ob jemand katholisch oder evangelisch ist, ist ganz egal", betont Brigitte Harte. Es sind Veranstaltungen und Feste, die von Menschen christlichen Glaubens ausgerichtet werden. Nur das zählt.

Hilde Lamersdorf und Kasernen-Pater Nowoisky verbindet noch heute eine Freundschaft. "Er ist so ein positiver, fröhlicher Mensch, das hat den Menschen in der damaligen Zeit viel bedeutet. Und er hat sich dafür eingesetzt, den Glauben gegenseitig zu öffnen", erzählt die 83-Jährige.

Trotz zahlreicher Gemeinsamkeiten - Unterschiede gibt es auch. "Ich erkenne sofort, wer katholisch und wer evangelisch ist. Die Katholiken bringen ihr Gesangbuch mit zum Gottesdienst, die Evangelen nicht", erzählt Hilde Lamersdorf. Immer wieder sieht die energische ältere Dame ihren eigenen Glauben auch mal kritisch. Doch eines ist ihr ganz klar: "Wer etwas verändern möchte, muss bleiben." Das hat sie getan, bis heute.

Hilde Lamersdorf ist eine Frau, mit der sich eine Begegnung lohnt. Jeden Tag gibt sie ihre Energie für die katholische Gemeinde und die überkonfessionelle Gemeinschaft. Wie auch wieder beim Weihnachtsgottesdienst der Katholiken in der Kapelle des Friedhofs.

"Die Hälfte der Besucher kommen aus der evangelischen Gemeinde", berichtet sie stolz. Hauke Schröder ergänzt: "Die Weihnachtsgeschichte schreibt Frau Lamersdorf in jedem Jahr selbst. Sie ist so inhaltsvoll, dass es keine Predigt mehr braucht."