Pädagogik: Tag der offenen Klassentür gewährt Einblicke in den Schulalltag

Laut lachend flitzen fünf Schüler vorbei an ihrer Lehrerin, die einer anderen Gruppe eine Aufgabe erklärt. Drei weitere Zweitklässler rechnen schon konzentriert an ihren Plätzen, während eine vierte Gruppe bereits fertig ist mit der ersten Matheaufgabe. Irritiert beobachten Ilse Schumacher und Jürgen Köster das Geschehen um sie herum. "Zu meiner Grundschulzeit ", sagt Ilse Schuhmacher verwundert, "mussten wir noch aufstehen, wenn der Lehrer in die Klasse kam und danach auf unseren Plätzen bleiben. Auch hatten wir nicht so viel Lernmaterial und mussten unsere Hefte noch teilen", erinnert sich die 77-Jährige. Gemeinsam mit ihrem Mann besuchte sie gestern ihren Enkel Tim beim Tag der offenen Klassentür in der Grundschule Mühlenredder.

Während regulär Unterricht stattfand, durften Eltern, Großeltern und angehende Erstklässler mit den Augen eines Grundschülers durch offene Klassentüren spähen und entdecken, wie der Unterricht heute abläuft. "Das ist ja ein völlig anderes Schulsystem als damals. Die stärkeren Schüler können allein arbeiten, die Schwächeren werden mehr von der Lehrerin angeleitet", sagt Jürgen Köster (76). Es wirke zwar zeitweise wie ein großes Durcheinander. "Aber ich finde es toll, dass die Kinder so individuell betreut werden. Ich konnte mir vorher nicht vorstellen, wie das klappen soll."

Damit hat Schulleiterin Karen Schmedemann ihr Ziel erreicht. Zum dritten Mal lädt sie Interessierte zu diesem ungewöhnlichen Tag der offenen Tür in die Grundschule. "Es bringt ja nichts, die Eltern bei einem Infoabend durch die Schule zu führen, wenn sie menschenleer ist", erklärt die 55-Jährige. Es sei schwierig, Erwachsenen zu erklären, wie Lernkonzepte heute aussehen im Vergleich zu ihrer Schulzeit. "Wir haben ein Video vom Unterricht gedreht. Aber das war für die meisten Eltern noch zu abstrakt." Anstatt Infostände aufzubauen, lud die Schulleitung deshalb vor drei Jahren zum ersten Tag der offenen Klassentür. "Damit die Eltern den typischen Schulalltag und die Atmosphäre im Unterricht erleben."

Die Grundschüler lassen sich durch den zahlreichen Besuch nicht ablenken. "Wir sind daran gewöhnt Gäste in der Klasse zu haben", sagt die Zweitklässlerin Jette. "Wir hatten auch schon Klassen aus unserer Partnerschule in Finnland zu Besuch oder Kindergärten", erklärt die Achtjährige. Dann ruft ihre Lehrerin alle Gruppen zusammen, Jette hüpft fröhlich zu ihren Mitschülern, um die Mathestunde gemeinsam zu beenden.

"Heute scheint Schule schöner zu sein", resümiert Walter Schomann (75). Auch er scheint überfordert mit dem regen Gewusel der Klasse. Er selbst ist vor knapp 70 Jahren zur Grundschule am Mühlenredder gegangen. "Da bekamen wir noch was auf die Finger mit dem Rohrstock, wenn wir nicht ruhig waren. In der Schule hatten wir nur wenig Spaß." Heute besucht er mit seiner Frau Ingrid (72) die beiden Enkel Anton und Lotte. "So glückliche Schüler habe ich noch nie gesehen", sagt sie und fügt hinzu: "Da wäre man gern noch einmal Kind."