Seminare: Reinbeker Pferdeakademie wird zur Naturakademie - Führungskräfte lernen sogar von Falken

In der Pferdeakademie von Verena Neuse können Chefs ihre Führungsqualitäten an 600-Kilo-Kolossen austesten. Und eins steht fest: Mit einer Mohrrübe allein, bewegt man sie nicht von der Stelle. Ein freundliches, zugewandtes Auftreten, kombiniert mit Selbstbewusstsein, Einfühlungsvermögen und klaren Zielen vor Augen sind ein Muss, um nicht nur bei Mitarbeitern, sondern auch bei Pferden zu punkten, ihr Vertrauen zu gewinnen und sie zum Mitmachen zu bewegen. Gefragt sind klassische Führungsqualitäten. Seit 2008 können Manager daran auf dem idyllischen Pferdehof in Sachsenwaldau feilen. Jetzt erweitert Leiterin Verena Neuse (44) ihr Angebot und hat sich dafür noch Heike Frommhold (51) mit ins Team geholt.

Denn zukünftig sollen nicht nur Pferde mit den Managern arbeiten, sondern auch Wölfe und Falken. Bei einer Schiffstour wird zudem echte Teamarbeit gelehrt. "Aus der Pferdeakademie wird nun eine Naturakademie", erklärt Verena Neuse, die überzeugt ist, dass man vieles aus dem Sozialverhalten der Tiere auch auf das menschliche Miteinander übertragen kann. Die wenigsten wüssten beispielsweise, dass es in einem frei lebenden Wolfsrudel kaum Hierarchien gibt. Erst in Gefangenschaft und unter Stress entwickelten die Tiere eine soziale Rangfolge. "Ein Verhalten, das vielen aus ihren Büros bekannt vorkommt", erklärt Verena Neuse, die mit ihren Seminarteilnehmern Ausflüge in das Wolfscenter in Dörverden plant.

Auch ein Falke erweise sich als hilfreich, um Führungskräfte an ihre Grenzen zu führen. "Ein Falke ist ein individueller Jäger. Gehen wir im Wald spazieren und er fliegt frei nebenher, muss man schon gute Argumente haben, um ihn zum Teamplayer zu machen", so die 44-Jährige. Selbst beim Thema Stressmanagement könne man sich Tiere zum Vorbild nehmen. Das Motto: Pferde kennen keinen Burn- Out. Sie kennen ihre Grenzen, teilen ihre Kräfte ein.

Ein Verhalten, das viele Manager verlernt haben. "Einige geraten regelrecht in Panik, wenn sie merken, dass man in Sachsenwaldau keinen Handy-Empfang hat. Wenn sie abends feststellen, dass man einen Tag ohne Telefon überlebt, macht sie das glücklich", hat Verena Neuse beobachtet. Viele seien seit zehn Jahren nicht mehr im Wald spazieren gegangen. Das ganze Leben dreht sich um Arbeit.

Dass das nicht sein muss und auf Dauer auch nicht gut sein kann, sollen nun auch Privatleute erfahren. Ab kommendem Jahr wird sich Heike Frommhold verstärkt um diese Klienten kümmern und mit ihnen in der klassischen Pferdeakademie arbeiten. "Pferde sind meine Batterie zum Aufladen", weiß die 51-Jährige seit Kindesbeinen an. Was Stress bedeutet, erfuhr die heutige Reinbekerin früh, leitete sie doch als stellvertretende Direktorin ein Hotel. Ein Job, in dem Überstunden selbstverständlich sind. Wem angesichts ähnlicher Arbeitsbedingungen "zum Heulen" zumute ist, kann dies im Wolfscenter tun. "Wer einmal mit den Wölfen zusammen geheult hat, wird das nie wieder vergessen", ist Verena Neuse sicher. Stress, das war gestern.