Reinbek (voe). In Sachsen-Anhalt gab's zu viel Fremdenhass: “Ich habe an der Haltestelle auf den Bus gewartet. Als der Busfahrer mich sah, ist er einfach weitergefahren“, erzählte Bassirou bei der langen Nacht in der Nathan-Söderblom-Kirche am Sonnabendabend.

Ähnliche Erfahrungen machte Modibo, wie die rund 150 Gäste erfuhren. "Ich diskutierte mal mit einer Frau über unsere Situation", berichtete der 26-Jährige. Schließlich habe sie geschrien: "Du hast hier nichts zu suchen, du gehörst nach Afrika!" Die beiden Flüchtlinge aus Mali, einem bürgerkriegsgeschüttelten Land, hielten es schließlich nicht mehr aus und flüchteten nach Hamburg. Seit Anfang April leben sie nun zusammen mit neun weiteren Landsleuten in einem Gemeindehaus der Kirchengemeinde West. "Da hat sich das Thema für die Nacht der Kirchen ganz von selbst ergeben", so Pastorin Barbara Schöneberg-Bohl.

Bis spät in die Nacht erfuhren die Zuhörer, warum sich Menschen in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Deutschland aufmachen und was sie sich am sehnlichsten wünschen: "Arbeit, vor allem Arbeit", betonte Modibo in einem schon recht guten Deutsch. Verstärkung hatte sich die evangelische Gemeinde vom "Fluchtpunkt Bergedorf" geholt. Ein Zusammenschluss von Freiwilligen, die sich seit fast einem Jahr um die Flüchtlinge kümmern. Nicht dabei sein konnte Fluchtpunkt-Mitglied Ingo Werth. Maren Neumann las seine Stellungnahme vor: Wir "überschwemmen den südlichen Kontinent mit Billigschrott, machen damit einheimische Kleinstbetriebe kaputt, sichern uns den Zugriff auf die dortigen Rohstoffe und wundern uns dann, wenn die Afrikaner ihre Familien nicht mehr ernähren können", hieß es darin. Die "Festung Europa" müsse sich auch für die zu unrecht als "Wirtschaftsflüchtlinge" bezeichneten Menschen öffnen.

Einen Trumpf für den Abend hielt die Gemeinde noch in der Hand: Schauspieler Rolf Becker. Gewohnt kämpferisch las der 79-Jährige Texte beispielsweise von Bertolt Brecht und der jüdischen Hamburgerin Steffi Wittenberg vor, die während der Nazizeit ins Exil nach Uruguay gehen musste. "Auch wenn man gesellschaftliche Nachteile für seine Meinung hinnehmen muss", mahnte Becker, "wir sollten immer sagen, was ist."

Der Abend blieb nicht nur ernst. Musikalisch gestalteten Sophie Schmal, David und Tobias Neumann, Sarah Lasaki, Ahmed Nyei und die Kantorei unter der Leitung von Jörg Müller den Abend, der mit einer Taizé-Andacht endete.