Wohn-Fantasien: Reinbeker Paar lebt zur Freude vieler Passanten mit lustigen, skurrilen Untermietern

74 Jahre ist das Rotklinkerhaus an der Stormarnstraße alt und nicht nur Kinder lieben es. Denn es bringt jeden Passanten zum Schmunzeln. Auf den grünen Fensterläden posieren fröhlich die Zwerge des holländischen Malers und Grafikers Marius Harm "Rien" Poortvliet. Mal kuschelt ein Pärchen der stets rot bemützten Gnome beiderlei Geschlechts, mal stolziert einer auf Stelzen, mal umwirbt ein anderer seine Angebetete mit feinem Geschmeide.

Doch das ist noch lange nicht alles. Gönnt sich der Betrachter ein wenig Ruhe, entdeckt er die buntesten Nistkästen, Masken und neben vielen Besonderheiten auch einen Drachen und eine Katze, die gemeinsam das rote Tonziegeldach vom First aus bewachen. Liebevolle Geduld mit den kleinen Dingen, genaues Hinschauen, Mut zur Skurrilität und viel Humor lassen sich bei den Bewohnern vermuten. Und das sind Marlen und Harald Stränz.

Das Ehepaar hat sich dieses Paradies in einem Haus geschaffen, das Marlen Stränz kaschubischer Großvater 1930 mit eigenen Händen gebaut hat. "Er war Seemann und lernte meine Großmutter im schwarzen Walfisch in Lohbrügge kennen und blieb", erzählt die 73-Jährige.

1943 in Hamburg ausgebombt, kam sie mit ihrer Familie nach Reinbek und verbrachte hier ihre Kindheit im Haus der Großeltern. "Damals schauten wir nach Osten aufs Feld. Die Straße war mit Gras bewachsen, toll zum Spielen. Wir hatten einen großen Garten, zwei Schweine, Kaninchen, Gänse und Hühner", schwärmt sie. Als sie 1953 mit Eltern nach Lohbrügge zog, wurde sie begeisterte Bus-Fahrerin, schnappte sich ihre Katze, um Omi zu besuchen.

Eine Ehe ging schief und sie zog mit den beiden kleinen Söhnen zu den Großeltern. "Ich habe meine Großmutter geliebt. Sie hatte eine harte Schale, einen weichen Kern und war absolut für uns da", sagt sie. Die oberen Mieter wurden rausgekauft, die Großeltern zogen nach oben. Es wurde angebaut. Harald Stränz zog mit ein. Auf dem großen Grundstück stehen mittlerweile drei Wohnhäuser. "Alle gehören zur Familie", sagt Marlen Stränz stolz.

Sie und ihr Mann erhalten und verschönern das alte Haus. "Ich bin der letzte Universal-Dilettant", sagt Harald Stränz schmunzelnd. Bis zum Ruhestand war er Chef vom Dienst bei der Neuen Revue. "Hier ins Haus kamen nur der Gas-Installateur, der Dachdecker und der Tischler, der die neuen Fenster eingebaut hat. Alles andere kann ich selbst", sagt der 68-Jährige. Seine Frau nickt. "Und wenn alles fertig ist, hab ich immer noch Wünsche." Wie zum Beispiel die neuen Fensterläden.

Allerdings übernimmt sie die kompletten Maler- und Lackiererarbeiten am Haus. Womit sich der Kreis schließt. Drei Tage hat sie etwa für einen der liebevoll bemalten Fensterläden gebraucht. "Das musste ich allerdings erst durchboxen. Meine Mutter wollte es nicht", sagt sie. Da sie aber generell alles gemacht hat, was die Mutter nicht wollte, kamen die Läden, die Zwerge, die Bienenvölker im Garten, das Motorrad und die indianischen Tätowierungen an den Handgelenken. Eine Kunst, die sie fast zum Beruf gemacht hätte.

Statt anderen Menschen Bilder zu stechen, hat sie sich um die Eltern, die Enkel, den Garten, Hund und Katz gekümmert. Seit langem mit der vollen Unterstützung ihres Mannes. Zusammen haben sie den tönernen Dachdrachen bei einer Töpferin entdeckt, ein englischer Gargoyle bewacht das Haus. Alle Nistkästen haben ein individuelles Outfit und häufig sitzen auch dort kleine Schutzgeisterchen auf dem Dach.

Die Kinder bleiben mittlerweile seltener stehen, was sie bemerkt. "Ich glaube, sie stehen mehr auf die Starwars-Figuren." Das allerdings ficht beide nicht an. "Wer die Heinzelmännchen-Geschichten von Rien Poortvliet liest, kann nur begeistert sein", sagt Harald Stränz. "Diese Fantasie ist einfach bezaubernd schön."