“Kunst Orte“ in Stormarn: Auch die Reinbeker Künstlerin Ricky Winter öffnet ihr Atelier

Leidenschaftlich schmiegt sich die Frau im roten Mieder an ihren Partner. Ein Paar vereint im Tangotanz. Die dynamischen Linien, der nach hinten geworfene Fuß mit dem roten Pumps - als würden die beiden gleich mit einer Drehung von der Leinwand wirbeln. Farben, Linien, mit Spachtel, Pinsel oder per Hand aufgetragen, sind zu einer fulminanten Tanzszene verschmolzen. Dabei weiß Ricky Winter am Anfang nicht, ob ihr der große Wurf gelingt. Sie geht intuitiv ans Werk. "Manchmal male ich eine Bild in einer Nacht, manchmal dauert es fünf Jahre", sagt sie.

Wenn die weiße Leinwand vor der 54-Jährigen auf dem Boden des kleinen Ateliers liegt, geht sie rasant ans Werk. "Bei mir muss alles schnell gehen, ich fahre schnell Auto und male eben auch schnell", sagt sie, schnallt die Knieschoner über die Malerhose und schmeißt sich geradezu ans Werk. Ein langsamer zaghafter Pinselstrich, geplant am Rand angesetzt, ist nicht ihr Ding. Mit ganzer Körperkraft ist Ricky Winter im Einsatz. Um sie herum stehen Acrylfarben, Tuben, Pigmente, Schiefermehl, Kreide, Ocker aus der Provence, nach denen sie abwechselnd greift. "Ich bearbeite immer die ganze Leinwand." Nach und nach werden Farben aufgetragen, selbst angemischt und mit anderen Materialien in Mischtechnik auf der Leinwand verarbeitet.

Aus alten Häusern, vom Sperrmüll und sogar aus Aschehaufen hat die Reinbekerin einen Riesenfundus an Materialen gesammelt. Aus einem Bild lugt eine Margerite hervor, die von einer alten Tapete stammt. Ein Minifoto von einem Hund wird an anderer Stelle umspült von einer Welle aus Farben. Erst wenn die farbige Komposition stimmig ist, macht sich Ricky Winter an die Feinarbeit. Mit genauen Linien, Tupfern aus Wasserfarben oder Pigmenten setzt sie Akzente, um am Ende des Prozesses die Spannung eines Bildes zu verstärken.

Statt eines Entwurfes ruft sie Bilder ab. "Ich nehme unbewusst etwas auf und lege dann los." So steht am Anfang oft ein Ereignis, das den Blick der Künstlerin auf Dinge lenkt, die andere kaum wahrnehmen. Es passiert beim Joggen, wenn sie auf dem Boden Teerspuren entdeckt, die sich mit den Spalten zu einem Muster formen. Oder wenn Sie mit Freunden am Osterfeuer steht und die fragen, "Ricky, was starrst Du denn da so?", während sie meditativ in das Feuersspiel der Glut vertieft ist. Auf der Leinwand explodieren die gespeicherten Impressionen später in farbigen, abstrakten Formen, die leicht und dynamisch, fast dahingegossen wirken. "Erst kommt der Bauch, dann der Kopf", sagt die Reinbeker Künstlerin. Die Kindheit auf dem Bauernhof der Eltern im Sauerland habe sie geprägt. "In der Natur Entdecktes und Erfahrenes sowie im Alltag Geschehenes nehme ich mit allen Sinnen auf", beschreibt sie ihre Inspirationsquelle. "Absprung", "Eine besondere Stunde" oder "Das Rote" heißen ihre großformatigen Bilder, die auf der Basis von Acryl entstehen und mit selbst gemischten Pigmenten, Marmormehl oder Lauge bearbeitet werden.

Die Autodidaktin, die eigentlich Designerin werden wollte, hatte sich nach einem Ökotrophologiestudium mit ersten Zeichnungen und Drucken einen Namen gemacht. Mit ihrem Ehemann und den Kindern kam sie 1989 nach Reinbek. Es folgten Sommerakademien, Workshops und Privatunterricht bei namhaften Hamburger Künstlern. Bei einem Besuch des Dalai Lama 2007 in Hamburg porträtierte sie ihn spontan. Das Oberhaupt der Tibeter war von dem Ergebnis so angetan, dass er das Bild signierte.