Lokalgeschichte: Spuren einer ausgestorbenen Kaufmanns-Ära

Wenn Angelika Hahme in ihrem Garten steht, erinnert sie sich häufig daran, dass es Zeiten gab, wo das ganze Dorf hier ein- und ausging. Denn die 63-Jährige wohnt noch heute in dem Haus Am Stadtpark, in dem sich vor knapp 40 Jahren der kleine Lebensmittelladen ihrer Eltern befand. Paul Hildebrandt und seine Frau Hedwig eröffneten den typischen Tante-Emma-Laden im Jahr 1951. So mancher wünscht sich ihn zurück, den kleinen Krämerladen gleich um die Ecke. Dort wo der Inhaber noch Zeit für ein Schwätzchen hatte, und Sonderwünsche gern erfüllt wurden.

"Öffnungszeiten gab es eigentlich nicht", erinnert sie sich. Etwa 22 Quadratmeter hatte das Geschäft. Zu kaufen gab es alles, was im Alltag benötigt wurde. Von Kaffee über Zigaretten bis hin zu Perlonstrümpfen und frischen Brötchen, Sonderwünsche inklusive. "Oft klingelten Kunden auch am Wochenende, wenn sie etwas vergessen hatten", weiß die heutige Hauseigentümerin aus Erzählungen. "So gab es für eine Kundin immer heiße Würstchen." Doch besonders schwärmt Angelika Hahme von der persönlichen Atmosphäre, die damals herrschte. "Es war immer Zeit für ein Schwätzchen, auch wenn der Laden voll war. Mein Vater wusste fast alles über seine Kunden".

"Meine Eltern kamen aus Pommern. Durch den Krieg wurden sie schließlich getrennt. Meine Mutter war noch in Pommern, mein Vater schon im Westen. Dann hatte mein Vater einen Traum, in dem es meiner Schwester sehr schlecht ging. Sofort machte er sich auf den gefährlichen Weg zurück. Gott sei dank, denn nicht meiner Schwester sondern meiner Mutter ging es sehr schlecht": Angelika Hahme kennt die Geschichte nur aus Erzählungen, denn sie ist deutlich jünger als ihre Schwester. An Ende führte das Schicksal die Familie nach Wentorf.

Das Grundstück Am Stadtpark wurde auf Umwegen erstanden. "Zuerst kauften meine Eltern die Fläche gegenüber, doch meiner Mutter fiel schnell auf, dass zu viel Sonnenlicht auf den Laden fallen würde". In den ersten Jahren war das eine bedeutende Entscheidung, denn es gab noch keine Kühlungen. "Die Butter wurde in den Sommermonaten im Keller aufbewahrt", so die jüngste Tochter.

Paul Hildebrandt baute sich alles in Eigenarbeit auf. Nur 5000 Deutsche Mark Lastenausgleich halfen ihm und seiner Familie auf die Beine. Das Haus wurde Stück für Stück erbaut. Erst der Raum für den Laden mit einem Büro und dem Schlafzimmer nebenan. Umso mehr sich der Laden trug, desto mehr wurde angebaut.

Bis 1973, dann war Schluss. Die Konzerne wollten schon Anfang der siebziger Jahre den kleinen Laden nicht mehr beliefern, denn eine Mindestabnahme von 100 000 Mark konnte der damals 75-jährige Paul Hildebrandt nicht garantieren. Ein paar Jahre handelte er noch ohne Abnahmepflicht raus, dann war Schluss. "Mit 75 Jahren darf man sich auch in den Ruhestand begeben", so Angelika Hahme.

Heute wird der ehemalige Laden bewohnt. Die freundliche Atmosphäre scheint im Haus geblieben zu sein.