Kajak Georg Lietz (81) gewann 1958 die Goldmedaille

Eine Goldmedaille, die haben wohl nur die wenigsten im Schrank. Und kaum jemand weiß, wie es sich anfühlt, Weltmeister zu sein. Georg Lietz jedoch hat den Jubel der Massen noch im Ohr, als er 1958 zusammen mit Michel Scheuer, Gustav Schmidt und Theodor Kleine Weltmeister im 4er-Kajak wurde - auf tausend und zehntausend Meter hatten sie bei den fünften Kanurennsport-Weltmeisterschaften in Prag die anderen Länder weit hinter sich gelassen. "An der Strecke standen 90 000 Leute. Das war ein richtiges Event", erinnert sich der heute 81-jährige Reinbeker. Die Liste seiner Erfolge ist lang. 14 Mal wurde er als junger Mann Deutscher Meister, 1955 Westeuropameister in Holland, 1957 Europameister in Belgien, 1959 Europameister in Duisburg - immer hatten Lietz und sein Team die Nase vorn.

Als Teenager setzte er sich das erste Mal in Lünen in ein Kajak. "Der Trainer meinte, wenn ich nicht ins Wasser falle, darf ich wiederkommen", erinnert sich der einstige Spitzensportler, der noch heute locker 20 Kilometer am Tag wandert, Tennis spielt und auf seine schlanke Linie achtet. Schnell hatte er die Boote im griff, auch die Trainer erkannten sein Talent.

Wenn Georg Lietz sieht, wie heute Profisportler oder beispielsweise die deutsche Fußballnationalmannschaft betreut und auf ihre Wettkämpfe vorbereitet werden, muss er sich zuweilen jedoch verdutzt die Augen reiben. Ernährungswissenschaftler, Masseure, ausgefeilte Trainingspläne und schicke Bungalows als Unterbringung - das gab es damals nicht. "Ich trank damals jeden Tag Lebertran, machte nach Lust und Laune Waldläufe und Gymnastik. Nach den Wettkämpfen gingen wir in die Jugendherberge oder ins Studentenwohnheim am Ort und aßen ein Brot mit Wurst", erinnert sich der 81-Jährige und muss selbst schmunzeln.

Damit die Arme schön kräftig und der Oberkörper trainiert waren, schraubte man im Keller Expander an die Wand, wickelte an die Paddel Eisenstangen oder Steine und paddelte los. "Auch Preisgelder gab es nicht. Mal eine Schachtel Pralinen oder einen Blumenstrauß oder einen Pokal für das ganze Boot, das ja. Aber wir haben Sport gemacht, weil wir Spaß hatten und gewinnen wollten", zieht er Bilanz. Das einzige Geld, das er je gesehen hat, waren zehn Deutsche Mark, um von Prag aus nach Hause telefonieren zu können.

Seine Frau Rosemarie (75) weiß ganz genau, wovon ihr Mann redet. Auch sie war erfolgreiche Kajakfahrerin, zwei Mal Deutsche Jugendmeisterin. Kennengelernt haben sich die beiden bei einem Herbstfest ihres Vereins.

Zu seinen Kameraden von einst hat der 81-Jährige bis heute Kontakt. Letztes Jahr trafen sich alle in Duisburg, erzählten dem Kajak-Nachwuchs von den Zeiten, als sie Weltmeister wurden. Plötzlich war der Jubel der 90 000 Zuschauer wieder so lebendig, als wären sie gestern mit einer Dreiviertel Bootslänge Vorsprung durchs Ziel gepaddelt.