Reformhaus schließt nach 59 Jahren - Kunden sind traurig

Eine Ära ist am Rosenplatz zu Ende gegangen. Dagmar Lucht verabschiedete sich von ihren langjährigen Kunden und schloss das von ihrer Mutter Ilse Heyn 1955 gegründete Reformhaus. Die 60-jährige Geschäftsfrau möchte kürzer treten und wird die Ladenräume zu einer Ferienwohnung umbauen lassen, die ihre im selben Haus gelegene Pension bereits ab Mitte Juli ergänzen soll. Im Zuge der Umbauarbeiten werden zwei der drei großen Schaufenster durch Fenster ersetzt, die dem ursprünglichen Aussehen des 1890 erbauten Hauses sehr nahe kommen werden.

Ganz ohne Tränen ging der Abschied nicht über die Bühne. Da wurde im Laden bei Sekt, Kaffee und glutenfreiem Kuchen geknuddelt und hier und da mit einem tiefen Blick der langen gemeinsamen Zeit gedacht. "Ich bin seit 1959 Kundin. Als frisch Verheiratete erläuterte mir meine Schwiegermutter, wo man in Reinbek, was kauft", erzählt Renate Tiefenbacher. Dabei sei sie bis jetzt geblieben. Genauso wie Ingrid Koeser: "Erst waren meine Eltern Kunden, dann ich", sagt die Seniorin und Gunhild Zillmer ergänzt: "Ich habe es immer sehr geschätzt, dass ich hier persönlich und kompetent bedient wurde. Renate Tiefenbachers Mann erinnert sogar die Zeit, als in dem großen Haus die Gemeindeverwaltung, die Polizei und das Arbeitsamt untergebracht waren.

Die langjährigen Kunden haben an der Familiengeschichte Anteil genommen, als Gründerin Ilse Heyn mit nur 49 Jahren starb, Tochter Dagmar ihren Beruf der Arzthelferin aufgab und Reformwarenkauffrau lernte, um das Erbe der Mutter anzutreten. "Glücklicherweise hatte ich meine Großmutter, die mir immer den Rücken gestärkt hat und sie ist 103 Jahre alt geworden", sagt sie. Auch Sohn Daniel (34) lernte zunächst den Beruf seiner Mutter, betreibt aber mittlerweile im Haus eine Fahrschule, die er dort auch weiterführen wird.

Die Kunden bedauern, dass es nun in Alt-Reinbek nicht mehr das ausgewiesen vegetarische Neuform-Sortiment gibt, das bei hoher Qualität von Agar-Agar bis Ceylon-Zimt, von medizinischem Honig - der Kur für die malade Galle - losen Weinbeeren, Kosmetika, Eiern von glücklichen Hühnern bis zu vegetarischen Grillwürstchen vieles bietet - begleitet von ausgezeichneter Beratung. "Es geht ein Stück Heimat verloren", sagt Roland Werner traurig. Dagmar Lucht verspricht: "Wir treffen uns ja hier in der Stadt und für einen Klönschnack ist immer Zeit." Bald wird sie den Frühstücksraum mit Zugang zum Garten auch für Geburtstagsfeiern oder kleine Empfänge öffnen.