Flüchtlinge: Eltern lernen fleißig Deutsch, möchten bleiben

"Was ist Grippe?", fragt Liane Thürer-Smid in die Runde. Nur vorsichtig wagen sich ihre Schüler an eine Antwort. "Husten", ruft einer. "Kopf tut weh, Nase zu", sagt ein anderer. Liane Thürer-Smid unterrichtet die wohl internationalste Klasse in Wentorf: Menschen aus Armenien, Irak, Iran, Afghanistan, Ägypten und der Türkei sitzen jeden Dienstagvormittag in ihrem Deutsch-Kursus in der alten Hauptschule am Wohltorfer Weg. Es sind Asylbewerber, die oft eine lange Flucht nach Europa hinter sich haben und in Wentorf gelandet sind. Über ihre Vergangenheit und die Angst im Heimatland will keiner von ihnen sprechen, viel lieber über das Leben, das vor ihnen liegt.

Dabei helfen soll ihnen der ehrenamtlich organisierte Sprachkursus des Runden Tisches Asyl. Hier lernen sie, sich im Alltag zurechtzufinden. "Wir legen keinen Wert auf einwandfreie Grammatik, denn hier muss ja niemand einen Test bestehen", sagt Liane Thürer-Smid, die auch als Gemeindevertreterin der Grünen in Wentorf engagiert ist. "Hier proben wir mit Rollenspielen etwa Arztbesuche, Behördengänge oder das Einkaufen." Das freiwillige Treffen bedeute für die Teilnehmer aber noch viel mehr: "Wir sind eine Art Anlaufstelle für alle möglichen Probleme geworden. Sie fühlen sich hier wohl und trauen sich auch, private Fragen zu stellen, etwa nach einem bestimmten Antrag", sagt die engagierte Wentorferin und streift mit ihrem Blick über die fröhlichen Gesichter.

Zwei davon gehören der jungen Nischteman Kasso (20) und ihrem Ehemann Hilal Hussein (27). Sie sind im vergangenen Jahr aus dem Irak nach Deutschland geflohen und im Dezember in Wentorf angekommen. Wenige Tage vor Heiligabend waren sie Eltern des kleinen Alikci geworden, mittlerweile haben sie sich eingelebt. Das fünf Monate alte "Weihnachtsbaby" liegt ruhig in seinem Kinderwagen, während seine Eltern Liane Thürer-Smid brav nachsprechen: "Verband".

Er will Deutsch lernen, sagt Hilal Hussein, damit er eine Arbeit und eine Wohnung finden kann. Noch lebt die Familie in der Asylbewerberunterkunft am Südring, muss sich Bad und Küche mit anderen Bewohnern teilen. In Wentorf wollen sie gern bleiben, ergänzt seine Frau gekonnt.

Eine Wohnung haben die 22-jährige Jemma Martirosjan und ihr Ehemann Karen Muchsjan schon gefunden. Das Baby allerdings ist bei diesem Pärchen noch unterwegs. Ebenso wie das irakische Ehepaar, sind die beiden Ende vergangenen Jahres aus ihrem Heimatland Armenien geflohen. Damals wussten sie noch nicht, dass sie Eltern werden. Jetzt ist Jemma Martirosjan bereits im sechsten Monat schwanger und strahlt glücklich, wenn sie über die baldige Geburt ihrer Tochter spricht. Ihr Ehemann Karen Muchsjan übt sich schon als Vater und spielt mit dem kleinen Alikci auf dem Arm. Der 27-Jährige erzählt in beeindruckend gutem Deutsch, dass er in seinem Heimatland als Radiophysiker gearbeitet hat.

Die Kursleiterin ist beeindruckt, dass er die Sprache schon so gut beherrscht. Fragt man den jungen Armenier, wie er das geschafft hat, antwortet er mit einem Lächeln: "Ich lerne für meine Familie".