Energiewende: Minister Habeck: Schleswig-Holstein Vorreiter

Ginge es nur nach Schleswig-Holstein, dann wäre die Energiewende schon vollzogen. Wenn hier der Wind kräftig von Westen bläst und die Sonne scheint, liefern die Naturkräfte im nördlichen Bundesland mehr Strom als gebraucht wird. Doch das schwach besiedelte Küstenland ist nicht repräsentativ für Deutschland und die Ziele der Abkehr von der Energiegewinnung durch fossile Brennstoffe und Kernkraft längst nicht erreicht. Bundesweit werden etwa 25 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt, zog Dr. Robert Habeck (Grüne) in Reinbek vor etwa 100 Zuhörern Bilanz. Der Minister für Energiewende, Landwirtschaft und ländliche Räume war auf Einladung der Stormarner Volkshochschulen ins Schloss gekommen.

Einen aktuellen Kommentar gab es gleich zum Einstieg: Dem "Angebot" der Energiekonzerne, die Abwrackkosten für Kernkraftwerke auf den Steuerzahler abzuwälzen, erklärte er eine Absage: "Die Konzerne haben sich verspekuliert." Sie hätten wohl nicht geglaubt, dass der Ausstieg aus der Atomenergie, der Anfang 2000 demokratisch beschlossen wurde, auch tatsächlich durchgezogen werde. Mitleid mit den Betreibern der Kernkraftwerke, deren Geschäftsmodell in Zeiten der Energiewende nicht mehr aufgehe, komme bei ihm nicht auf. In Zukunft, so Habeck, sollten nicht nur wenige Aktieneigner, sondern Tausende Menschen demokratisch über die Stromproduktion entscheiden: "Die Verantwortung muss wieder in die Hände der Politik gelegt werden."

Die Energiewende erfordere dafür einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Ihre "Pubertät" habe sie inzwischen abgeschlossen. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie ehrlich es Deutschland meint: "Wenn wir im Jahr 2030 etwa 75 Prozent über erneuerbare Energien erzeugen, dann haben wir ein echtes Ausrufezeichen gesetzt."

Bis dahin sind noch viele Herausforderungen zu bewältigen. "Schleswig-Holstein ist seit eineinhalb Jahren mächtig am Zug", so der Minister. 2300 Windkraftanlagen, plus 1000, die noch dazukommen, können so viel Energie erzeugen, wie neun Kernkraftwerke. Habeck räumte aber auch ein, dass mit der Energiewende auch ein Strukturwandel einhergehe. Stromtrassen verschandeln die Landschaft, ländliche Regionen werden zu Industrielandschaften. Das sorge auch für Konflikte mit Naturschützern. Neue Allianzen entstehen, die Landwirtschaft profitiere in Teilen von Überförderungen, zum Beispiel für Biogasanlagen. Auf der anderen Seite wächst der Druck auf kleine Betriebe, die eine immer höhere Pacht für ihr Land zahlen müssen, das für den Maisanbau gebraucht wird. "Da hat es Fehlentwicklungen gegeben. Wir brauchen keine weiteren Biogasanlagen mehr", räumte Habeck ein. Ein großer Teil Mais, der in Biogasanlagen landet, werde vergebens verheizt, weil die Wärme nicht abgenommen wird. Das mache ökologisch keinen Sinn. Dazu gebe es Probleme mit der Biomasse, die als nitrathaltiger Dünger auf Felder gebracht wird und Grundwasser versaue.

Die schwierigste Debatte sei in Zukunft aber der Ausbau der Stromnetze. "Wir brauchen drei bis vier neue Trassen", blickte er voraus. Um Strom, der nicht kurzfristig abgenommen wird speichern zu können, ist eine Trasse von Büsum zu den Wasserkraftwerken in Norwegen geplant. Sie soll 2018 in Betrieb gehen.