Powerfrau: Hebamme Martina Rohling holt seit vier Jahrzehnten neue Erdenbürger auf die Welt

Sie gehört zu den Frauen, die schon als Kind genau wussten, welchen Beruf sie einmal erlernen möchten: Martina Rohling ist Hebamme aus Leidenschaft - und das seit mehr als vier Jahrzehnten. Auf die Frage, wie viele Kinder sie denn bisher auf die Welt geholt hat, antwortet die 63-Jährige mit einem Strahlen: "Das müssen inzwischen mehr als 3500 sein, und ich bin immer dankbar, wenn das Baby da ist und Mutter und Kind wohlauf sind."

Zu vier der Babys, denen sie auf die Welt geholfen hat, hat Martina Rohling ein sehr enges Verhältnis, denn es sind vier ihrer inzwischen fünf Enkelkinder. "Diese Geburten waren etwas ganz Besonderes, und sie waren alle ganz entspannt", erinnert sich die fünffache Oma.

Die heutige Wentorferin stammt aus der Oberlausitz und hat ihre Ausbildung in Leipzig gemacht. In ihrem Berufsleben hat sie zwei sehr unterschiedliche politische Systeme erlebt, in denen auch ganz unterschiedlich gearbeitet wurde. Zu DDR-Zeiten gab es keine freiberuflichen Hebammen. Wer ein Kind erwartete, ging in die Klinik.

Im Laufe des Berufslebens hat sie in Bezug auf Schwangerschaft und Geburt Veränderungen festgestellt. Durch die vielen Untersuchungsmethoden, die heute möglich sind, werden Frauen schnell verunsichert. Als Hebamme unterstützt sie eine werdende Mutter. "Ich sage den Frauen, das schaffst Du ganz alleine", erklärt Martina Rohling, die viel Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt. Schmerz und Anstrengung gehören nun einmal dazu, aber trotzdem sei eine Geburt ein einmalig schönes Erlebnis.

Eigentlich wollte Rohling noch zwei Jahre lang Geburtshilfe leisten und dann nur noch Kurse geben. Aber zurzeit ist für die Hebammen so vieles im Umbruch, dass sie noch nicht weiß, ob ihre Pläne aufgehen. Die Haftpflichtversicherung für geburtshilflich tätige Hebammen ist kürzlich um 20 Prozent auf 5100 Euro jährlich gestiegen. Für viele Kolleginnen steht damit ihre Existenz infrage. "Wenn es zu einer weiteren Steigerung kommt, heißt es auch für mich ,Geburtshilfe ade', denn ich muss ja auch noch leben", erklärt Rohling. Für eine Beleggeburt in der Klinik inklusive zehn Stunden Betreuung der Mutter erhält sie laut Gebührenliste genau 280,22 Euro brutto. "Dafür würde kein Handwerker arbeiten", ärgert sich die Hebamme. Auch beim Thema Mindestlohn kann sie nur müde lächeln. "Wenn ich Geburtsvorbereitungskurse gebe, erhalte ich pro Teilnehmerin 6,42 Euro pro Stunde", rechnet Rohling vor. Sie ist Mitglied im Hebammenverband und fordert eine ihrer Arbeit entsprechende Vergütung. "Gesundheit gibt es nun mal nicht zum Nulltarif", sagt Martina Rohling.

Der Beruf der Hebamme fordert viel - unter anderem auch viel Verzicht. Das Mobiltelefon hat Martina Rohling immer griffbereit. "Wenn ich Rufbereitschaft habe, kann ich gar nichts machen", sagt sie. Kino- oder Theaterbesuche sind genauso wenig möglich wie ein Arzttermin oder ein Ausflug - jederzeit kann das Handy klingeln, weil eine Geburt bevorsteht. "In diesen Zeiten müssen Freunde oder die Familie eben zu mir kommen", sagt sie lachend.

Ihr großer, roter Rucksack mit der kompletten Ausrüstung und ein kleiner, schwarzer Koffer mit dem Herztonwehenschreiber stehen stets bereit. "Zurzeit habe ich vier Kinder in der Warteschleife", sagt die Hebamme.