Marlies Dewenter-Steenbock: Respekt durch Fachwissen

Die Männer hatten schon komisch geguckt, als die junge Sachgebietsleiterin im Minirock in der Tür stand. "Bürgermeister Kock sah es nicht gern, wenn Frauen im Rathaus Hosen trugen", erinnert sich Marlies Dewenter-Steenbock an die 70er-Jahre. Ihre Autorität konnte die Kleiderordnung nicht untergraben. Mit Fachwissen verschaffte sie sich Respekt: "Ich hatte immer das Bedürfnis, etwas besser zu sein und jede Gelegenheit wahrgenommen, mich fortzubilden." Das Bauamt, damals noch eine absolute Männerdomäne, hatte sich die technisch interessierte Beamtin bewusst ausgesucht. "Ich habe nie um Anerkennung kämpfen müssen." Dumme Sprüche konnten Männer bei ihr nur einmal landen.

Heute ist Marlies Dewenter-Steenbock 70 und hat die Akte ihres Berufslebens längst nicht zugeschlagen. "Es macht mir so viel Spaß, dass ich nicht daran denke, aufzuhören." Die Verwaltungsdirektorin ist Geschäftsführerin der "Gesellschaft für Kommunalberatung und -entwicklung mbH" (GeKom) mit Sitz in Reinbek und inzwischen zehn festen Mitarbeitern. Ihr Ruf als Expertin für Abgabenrecht hatte sich schnell herumgesprochen, auf dem Buchrücken von Kommentaren zu diesem Thema stand der Name Marlies Dewenter. Noch heute ist sie in entsprechenden Fachgremien tätig. 2000 hatte der Gemeindetag angefragt, ob sie sich vorstellen könne, eine Firma zu leiten, in der der Gemeindetag Hauptgesellschafter ist.

Im Reinbeker Rathaus war die Leiterin des Stadtbetriebes zu jener Zeit ohnehin an die Grenzen ihrer Entwicklungsmöglichkeiten geraten. Sie nahm die Aufgabe an und bietet von Reinbek aus Problemlösungen im Bereich der Verwaltung an. Kunden der GeKom sind Gemeinden, Städte und Verbände, die beispielsweise einen Erschließungsvertrag für ein Neubaugebiet entwerfen wollen, Beiträge für den Straßenbau erheben müssen oder Gebührenkalkulationen benötigen.

Ihr Glück: Die Leidenschaft für Abgaben und Satzungen teilt sie mit Ehemann Reimer Steenbock (69), ebenfalls Vollblut-Verwaltungsexperte und Geschäftspartner. "Wir gucken uns jede Straße an, die wir abrechnen, und sind in Sitzungen dabei, wenn Bürger über ihre Kostenbeteiligungen beim Ausbau informiert werden." Das Paar kann im niedersächsischen Ökohaus Stunden über eine gerechtere Verteilung von Gebühren und Abgaben diskutieren. "Natürlich sprechen wir auch über andere Dinge, und wir lesen beide sehr gern." Das Bücherregal reicht vom Erdgeschoss bis unters offene Dach und bietet immer noch nicht Platz genug für fast 3000 Bücher, darunter ihr Lieblingsbuch "Briefe zur Beförderung der Humanität" von Johann Gottfried Herder.

Mindestens dreimal die Woche fahren die in Nordfriesland Aufgewachsene und der Dithmarscher zu Beratungsterminen quer durch Schleswig-Holstein, kommen spät nach Hause. "Das hält uns jung", ist die Verwaltungsexpertin sicher, die ihre schnelle Auffassungsgabe auch ihrem Großvater zu verdanken hat. "Er hat schon als kleines Mädchen mit mir Schach gespielt." Auch bei ihrer Ausbildung im Amt Keitum musste die auf Sylt Aufgewachsene, die aus einer alten Seemannsfamilie stammt, von vornherein ran und alles machen.

Die erste Heirat führte sie mit 21 für einige Jahre von Aktenbergen weg aufs Festland nach Aumühle. Bis ihre beiden Jungs in der zweiten Klasse waren, blieb sie zu Hause, tippte Dissertationen oder arbeitete stundenweise als Kontoristin. 1974 begann sie im Reinbeker Rathaus die Ausbildung zum gehobenen Dienst.

Nur den Ruhestand zu genießen, käme für sie nicht infrage. Manchmal gönnt sie sich allerdings eine kreative Auszeit. Die Hobbymalerin hat die Stockrosen im Garten fotografiert. Jede einzelne will sie mit Farbe auf die Leinwand bringen. Manchmal legen sie und ihr Mann sich auch ihren Lieblingsfilm ein "Jakobowsky und der Oberst" mit Curd Jürgens und Danny Kaye - bevor die nächste Akte aufgeschlagen wird.