De Maizière spricht vor 200 Gästen

Ein Hauch Nostalgie lag in der Luft des St. Adolf-Stiftes. In der Reihe "Reinbeker Frühjahrsvortrag" referierte der "erste und letzte frei gewählte Ministerpräsident der DDR", wie ihn Organisator Lothar Obst begrüßte, über den "Schweren Weg zum neuen Deutschland". Lothar de Maizière gewährte den knapp 200 Gästen exklusive Einblicke in den Prozess der Wiedervereinigung.

So habe sich die Ehefrau des damaligen Bundeskanzlers, Hannelore Kohl, mit den Worten an ihn gewandt: "Mein Mann ist nicht immer einfach." De Maizière antwortete: "Das ist mir nicht entgangen." Hannelore Kohl habe angeboten, sie bei Problemen mit ihrem Gatten anzurufen: "Ich werde versuchen, ihn zu überzeugen und gleichzeitig suggerieren, dass es ja eigentlich seine Idee gewesen ist." Die Rentner in der ehemaligen DDR, so de Maizière, hätten dieser Taktik zu verdanken, dass sie 6000 Ostmark im Verhältnis eins zu eins umtauschen durften. Kanzler Helmut Kohl habe ursprünglich nur 2000 Ostmark für jeden DDR-Bürger zulassen wollen.

Bemerkenswert, wie wenig der Ex-DDR-Ministerpräsident den "Kanzler der Einheit" überhaupt als Akteur erwähnte. Deutlich häufiger nannte er den damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble und den damaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher. "Schäuble ist ein hervorragender Jurist", so de Maizière. "Ohne ihn hätten wir den Beitritt der fünf neuen Bundesländer rechtlich nicht einwandfrei organisiert."

Auch die Aufarbeitung der Enteignungen in der Nazi-Zeit und zu Zeiten des SED-Regimes hätten ohne Schäuble kaum in geordnete Bahnen gelenkt werden können. Genscher hingegen habe viel Fingerspitzengefühl gegenüber den ehemaligen Besatzungsmächten gezeigt. Das sei speziell im Umgang mit der damaligen englischen Regierungschefin Margaret Thatcher vonnöten gewesen. "Die hat zu mir gesagt: 'Zweimal haben wir die Deutschen geschlagen, und schon wieder stecken sie den Kopf aus dem Fenster!'"

Bewusst habe Deutschland auf einen Friedensvertrag in den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen verzichtet. De Maizière: "Hätten wir auch nur mit einer ehemaligen Besatzungsmacht Frieden geschlossen, wären noch mehr Staaten mit ihren Reparationsforderungen auf uns zugekommen. Das hätten wir nicht schultern können." Die Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrages, die zwischen der Bundesrepublik, der DDR ("Zwei") sowie Frankreich, der Sowjetunion, Großbritannien und den USA ("Vier") schließlich vollzogen wurde und den Weg für die Deutsche Einheit frei machte, sei aus seiner Sicht in einem anderen Sinne historisch gewesen: "Durch meine Unterschrift hat die Bundesrepublik die DDR zum ersten Mal als Staat anerkannt."

Den Füllfederhalter, mit dem er damals unterschrieb, sollen einmal seine elf Enkel erben, so der gebürtige Thüringer. Zurzeit befindet sich das Utensil als Leihgabe im Berliner Alliierten Museum.