Abriss: Türen des Oher Traditionsgasthofes “Zur Linde“ geschlossen - Bagger beendet Dorfgeschichte

Viele Oher wissen es schon und sind ein bisschen enttäuscht von Hans-Friedrich und Sieglinde Bohlens (beide 61). Das Gastwirtsehepaar schließt das Traditionshaus "Zur Linde" Ende April. Der Gebäudekomplex mit großem Saal und Kegelbahn wird abgerissen. Drei Doppelhäuser sollen auf dem etwa 2500 Quadratmeter großen Eckgrundstück Große Straße/Hoibeken gegenüber der Feuerwehr entstehen.

"Wir sind beide krank, das Haus ist krank und die Bäume auch", platzt es aus Sieglinde Bohlens heraus. Zu viel ist in den vergangenen Monaten passiert. Neben den gesundheitlichen Problemen, die beide plagen, deckte der Novembersturm einen Teil des Saaldaches ab und um alles abzurunden, hatte ein Pilz einige der namensgebenden Linden befallen, die schnell gefällt werden mussten.

"Ein Tag nach Weihnachten, als etwas Ruhe einkehrte, haben wir mit den Söhnen überlegt und entschieden, dass wir aufhören", sagt Hans-Friedrich Bohlens. "Wenn wir den Saalanbau sanieren lassen würden, müssten wir uns sehr verschulden. Das können wir nicht mehr erwirtschaften. Beide Söhne haben einen anderen Beruf und wollen den Betrieb nicht übernehmen", komplettiert seine Frau die Beweggründe. "So sind und bleiben wir unsere eigenen Herren."

Trotzdem glitzern die Augen der beiden, wenn sie von der langen Geschichte der Saalwirtschaft und der Gastwirtsfamilie berichten. Vom Großvater, der wie sein Sohn und auch der jetzige Wirt Hans Bohlens geheißen hat. Der das 1902, nach dem großen Brand in Ohe, gebaute Haus dann 1914 von Familie Drews kaufte, 1925 die Kegelbahn baute und 1926 starb.

Es blieb Oma Frieda, die wieder heiratete und Kramp hieß. Sie hat Hans-Friedrichs Vater und vier weiteren Kindern das Leben geschenkt. Karl hatte den Haidkrug, später die Billstedter Mühle, Elfriede hatte den Krümmeler Hof, Herta eine Bäckerei, Bernhard blieb im Krieg.

Für Hans-Friedrich Bohlens Vater sei klar gewesen, dass der Sohn die Wirtschaft übernimmt, sagt Sieglinde Bohlens und lacht. Ganz mag ihr Mann ihr nicht zustimmen. Dennoch hat er im Europäischen Hof in Hamburg das Hotelfach von der Pike auf gelernt und übrigens seine Frau auf dem Weg dorthin in der S-Bahn kennengelernt.

Dass beide aus Ohe kamen, entdeckten sie erst über den gemeinsamen Weg zur Arbeit. "Ohe war für uns Kinder in zwei Hälften geteilt. Jeder wuchs in einer anderen Hälfte auf und ich hab viel auf dem Feld geholfen. So kannten wir uns gar nicht", sagt Sieglinde Bohlens.

Gemeinsam haben sie den Gasthof 1983 übernommen. "Wir hatten richtig schöne Jahre, haben viel gearbeitet, gut verdient und hatten viel Spaß", sagt sie und erinnert sich an die Grünkohlessen und die ungezählten Bälle, die auf dem alten Eichenparkett im Saal gefeiert wurden. "Wenn die Musik um 3 Uhr aufhörte zu spielen, haben die Jungs eben weitergesungen, bis es noch einen Absacker und dann noch einen gab", sagt er und schmunzelt. "Es war eine schöne Zeit."

Ab Mitte der 1990er-Jahre sei es eingeschlafen. "Zu viele andere Freizeitangebote. Es gibt keine richtige Kneipenkultur mehr. Eine, von der man leben kann", verbessert er sich.

So wird das Grundstück nach dem Abriss der Gebäude gedrittelt. Zwei Teile sind verkauft. Der dritte ist für den Sohn reserviert, der die Oma gepflegt hat. Ehepaar Bohlens wird das Gasthaus abschließen und "zum ersten Mal seit 20 Jahren" für 14 Tage nach Dänemark fahren. "Vielleicht ist ja schon alles weg, wenn wir wiederkommen", sagt sie und schluckt.

In jedem Fall wird es den kleinen Laden in ihrem Elternhaus auf der gegenüberliegenden Straßenseite weiter geben. Zum Klönschnack treffen sich die Oher dort jetzt schon.