Prognose: Pro Jahr werden im Mittelzentrum Reinbek/Wentorf/Glinde 1000 neue Wohnungen gebraucht

Wentorf, Reinbek und Glinde im Jahr 2030: Die Menschen leben in Misch-Bezirken mit Geschossbauten, Reihen- und Einfamilienhäusern. Alle Wohnungen sind barrierefrei. Braucht jemand ein neues Zimmer, werden einfach Wände verschoben. Möbel sind auszieh- und hochklappbar. Man wohnt nicht nur in seinem Haus, sondern arbeitet dort auch. Die Nachbarn kennen sich: Sie sitzen in den Cafés im Viertel, verweilen auf Bänken vor den Häusern oder schlendern an nahe gelegenen Bächen entlang. Jung und Alt sind wie eine große Familie: Sie unterstützen sich gegenseitig.

Irgendwie kamen den Älteren im Publikum die Visionen der Hamburger Studenten, die Professor Bernd Kitzmann aus der HafenCity Universität präsentierte, bekannt vor. Baute man nicht schon Anfang der 70er-Jahre aufgrund der starken Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen gezielt Hochhäuser, in denen alle Generationen leben und gegenseitig auf sich aufpassen sollten? Hatte man damals nicht schon an Freiflächen, Parks und Einfamilienhäuser in der Nachbarschaft gedacht, an Einkaufsmöglichkeiten, an Cafés? Oder an Wandschränke in Wohnungen? An Betten, die sich heraufklappen ließen, um tagsüber mehr Aufenthaltsraum zu haben?

Die Veranstaltung des Mittelzentrums im Sachsenwald-Forum unter der Überschrift "Wohnen im Mittelzentrum 2030" verdeutlichte nur einmal mehr, dass sich kein Rad neu erfinden lässt. So drehte sich die Diskussion zwischen Publikum und Podium dann auch wieder im Kreis. Hartmut Thede vom Bundesverband Freier Immobilien und Christoph Kostka vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen betonten, dass sie ähnliche Visionen, die Kitzmann vorstellte, vielerorts schon in die Tat umgesetzt hätten. "Wir wünschen uns mehr Unterstützung aus der Politik. Dann können wir auch schneller und effektiver bauen", so Kostka. Projektentwickler Karl-Friedrich Konietzky pflichtete dem aus dem Publikum heraus bei und verlangte, längst überholte Bauvorschriften zu ändern. Michael Zietz von den Reinbeker Grünen, ebenfalls unter den knapp 90 Teilnehmern vorwiegend aus Politik, Verwaltung und Bürgerinitiativen, verwies auf das Integrative Stadtentwicklungskonzept, das die Politik ja schon entwickelt habe, und der eine Reihe vor ihm sitzende Klaus Kunze von der CDU kritisierte in Anspielung auf das Bauprojekt Schwesterngarten: "Alle wollen Neubauten, nur nicht in ihrer Nachbarschaft." Die Bürgerinitiative konterte: "Wir wollen die Neubauten, aber wir wollen auch an der Gestaltung beteiligt werden!"

Mittelzentrum muss sich auf deutlichen Zuwachs einstellen

Unter dem Strich blieb die Erkenntnis, dass alle Beteiligten - die Bürger, die Gemeinden, die Städte, die Länder, der Bund und gar die Europäische Union - umdenken und in Zukunft an einem Strang ziehen müssen, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Denn wie Guido Sempell von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) Hamburg, Michael Birgel von der Kreisplanung Lauenburg und Martin Beck von der Kreisplanung Stormarn anhand von Erhebungen eindrucksvoll darstellten, werden bis 2030 immer mehr junge Menschen in die Metropolen drängen.

"Sobald sie eine Familie gründen, ziehen sie ins Umland", stellte Birgel fest. Das Mittelzentrum müsse sich auf deutlichen Bevölkerungszuwachs einstellen. Und durchschnittlich werde die Bevölkerung in ländlichen Gebieten immer älter. Birgel: "Noch leben Senioren in ihren Häusern. Sie können auch nicht umziehen, weil kleinere, barrierefreie Wohnungen fehlen", so der Kreisplaner. Hier bestehe vor allem in Wentorf Bedarf, da es nah an Hamburg liege. Birgel: "Wir müssen auch an neue Wohnformen denken." Seniorenheime seien kein Zukunftsmodell. Die gleichen Phänomene sieht sein Kollege Beck für Glinde und Reinbek. Insgesamt würden die drei Städte wohl pro Jahr für rund 1000 Wohnungen sorgen müssen, so die Schätzungen. Dabei sei nicht nur der Neubau, sondern auch die Bestandspflege wichtig.