Züge rauschen wochentags durch

Der kleine Bahnhof in Friedrichsruh gehört zu den ältesten erhaltenen Bahnhofsgebäuden in Deutschland. Erbaut wurde er 1846, ein Jahr später nahm die Hamburg-Berliner Eisenbahn ihren Betrieb auf mit bis zu sechs Zugpaaren täglich und Friedrichsruh als normalem Halt. Heute ist das anders - trotz Fahrkartenautomat und Fahrgastinformationsanzeige: Denn seit 15. Dezember hält hier wochentags kein Zug mehr, die Regionalbahnen zwischen Aumühle und Büchen sind gestrichen. "Dafür verkehren zwischen Hamburg und Büchen vier zusätzliche Regional-Expresszüge", heißt es auf der Internetseite der Bahn. Wer in Friedrichsruh lebt oder arbeitet, muss entweder auf das Auto umzusteigen oder den Weg nach Aumühle zum S-Bahnhof zu Fuß oder per Rad zurückzulegen.

Von 2011 bis 2013 hieß es noch, Daumen hoch

Die Entscheidung wurde von der LVS, der Landesweiten Verkehrsservicegesellschaft, gefällt, weil auf der Bahnstrecke Büchen-Hamburg zunehmend Doppeldeckerzüge eingesetzt werden. "Diese sind länger als die alten Triebwagen und der Bahnsteig in Friedrichsruh ist zu kurz, um diese Züge hier halten zu lassen", erklärt Dennis Fiedel, Pressesprecher der LVS. Außerdem sei die Bahnstrecke so stark durch den Nah-, Fern- und Güterverkehr frequentiert, dass für den Halt von Triebwagen wochentags wenig Spielraum bleibe. Ein möglicher Ausbau des Bahnsteigs sei aus Kostengründen aufgrund der durchschnittlichen Fahrgastzahl in Friedrichsruh von nur 20 bis 30 Personen pro Tag nicht in der Diskussion, so Fiedel. Auch ein sogenannter Bedarfsbahnhof sei keine Lösung, so der LVS-Pressesprecher, da es sich hier um eine ausgebaute Schnellfahrstrecke handle. Kein Scherz: Von 2011 bis 2013 hieß es noch, "Daumen hoch". Wer im beschaulichen Friedrichsruh in den Zug Richtung Büchen oder Aumühle steigen wollte, musste mit Handzeichen auf dem Bahnsteig - nach dem Motto "Bremsen, hier will jemand mit" - auf sich aufmerksam machen. In der Woche hielten die Züge in Aumühle je nach Bedarf sieben Mal pro Richtung.

Dass der Daumen jetzt nach unten zeigt, bedauern vor allem die Historiker der Otto-von-Bismarck-Stiftung, die im historischen Bahnhofsgebäude ihren Sitz hat. "Zur Zeit haben wir sehr viele Nachfragen aus den Schulen", berichtet der Museumspädagoge Dr. Maik Ohnezeit. "Wir sind als Bundesinstitution damit vom öffentlichen Nahverkehr abgeschnitten", so der Geschäftsführer der Stiftung, Prof. Dr. Ulrich Lappenküper.

Bismarck-Stiftung wochentags nur zu Fuß zu erreichen

Grundsätzlich sehe er in der Maßnahme, den Schienenverkehr zu fördern, eine Verbesserung der Infrastruktur, so Dr. Lappenküper. Trotzdem braucht die Bismarck-Stiftung eine Lösung, um auch in Zukunft allen historisch Interessierten einen Besuch problemlos zu ermöglichen. Im Vergleich zu den übrigen vier Politiker-Gedenkstiftungen in Heidelberg (Friedrich-Ebert-Gedenkstätte), Stuttgart (Theodor-Heuss-Haus), Bad Honnef-Rhöndorf (Adenauer-Haus) und Berlin/Lübeck (Willy-Brandt-Haus) liegt die Bismarck-Stiftung verkehrstechnisch ungünstig. "Vielleicht besteht die Möglichkeit, die Buslinie 8820 auszuweiten", äußert Lappenküper die Hoffnung auf eine Lösung.