Er spricht mir aus der Seele: "Ich kann es kaum erwarten, die erste Blum' im Garten, die erste Blüt' am Baum ..." Johann Wolfgang von Goethe muss das gekannt haben. Als hätten sie den Wunsch gehört, trauen sich die Blümchen plötzlich mitten im Winter - wie zum Trost. Seit Dezember duftet mein Winterschneeball honigsüß und leuchtet im rosafarbenen Blütensturm. Er allerdings soll auch im Januar an frostfreien Tagen blühen. Genauso wie die Winterkirsche bei den Nachbarn. Wobei die stolze Besitzerin des fast 50 Jahre alten Baumes betont, dass er so prächtig wie jetzt noch nicht geblüht habe. Schade, dass er keine Früchte tragen kann, aber wer soll die Blüten schon bestäuben? Für Bienen ist es dann doch nicht warm genug.

Einige Pflanzen haben sich aber nun doch etwas vergaloppiert. Wie die ersten zauberhaften Zierkirschen auf dem Foto, die bei Gabriele Seeher in Wentorf ihre zarten Blüten öffnen. In der direkten Umgebung leuchtet auch bereits magentafarben der Seidelbast. Das Männertreu hat sich an eine Hausecke gekuschelt und präsentiert tapfer das unverkennbare Blau. Getoppt wird das allerdings von frisch austreibenden, orangenen Löwenmäulchen, die sich einfach keine Winterpause aufdrücken lassen. Und dann "stets sittsam, bescheiden und fein" ein violettes Veilchen, das sich bei der Reinbekerin Margaret Odefey-Tank ins Gespräch einmischt.

Daneben kommen die strahlend gelben Winterjasmine, die die Lärmschutzwand des Reinbeker Bahnhofs zieren, laut und aufdringlich daher.

Wer dann die Wetterprognosen hört, weiß, das Ende der kleinen, mutigen, etwas verwirrten Blümchen ist nah. Doch der Dichterfürst tröstet mit den weiteren Versen: "Sie grüßen meine Lieder, und kommt der Winter wieder, sing ich noch jenen Traum."