Antworten auf eine uralte Frage

Auch zehn Jahre, nachdem er Reinbek verlassen hat, kommt der ehemalige Pastor der Maria-Magdalenen-Kirche zum Fußballtraining nach Aumühle. Wenn der Ball rollt, er die alten Freunde wiedersieht, hat Dr. habil. Johann Hinrich Claussen festgestellt: "Die Bewegung, das ist auch eine Form von Glück." Die Facetten des Glücks hat der Theologe in seiner Habilitation untersucht: "Für die einen ist es, Freizeit oder Familie zu haben, für andere, ein Leben lang gesund zu sein."

Nachdem Claussen Reinbek 2003 verlassen hatte und zum neuen Propst im Bezirk Alt-Hamburg Nord gewählt wurde, nahm er sich eine Auszeit von drei Jahren, um dem Thema auf die Spur zu kommen. "Es war eine Gelegenheit, in die Tiefe der europäischen Geistesgeschichte vorzudringen", sagt der Hamburger. Denn die uralte Frage nach dem Glück hat die Menschen immer bewegt - in der griechischen Antike ebenso wie im Mittelalter oder in der Zeit der Aufklärung.

Doch Claussen hat nicht nur Bücher gewälzt, sondern auch mit vielen Menschen diskutiert. "Interessant war: Egal wie der Bildungstand eines Menschen ist - alle können etwas zu dem Thema sagen. Auch aus Alltagserfahrungen. Etwa, wenn man gut geschlafen hat, sich mit dem Nachbarn gut versteht, ein Sporterlebnis hatte." Claussen selbst antwortet auf die Frage, was für ihn Glück sei, immer mit einem theologischen Zitat: "Glück ist, mit sich selbst im Reinen zu sein und Gott zum Freund zu haben." Aber für ihn ist es eben auch ein Fußballspiel, oder dass er sich 2012 einen Traum erfüllt hat und mit seiner Frau und den drei Kindern nach New York geflogen ist.

"Doch das Glück hat auch seine problematische Seite", betont Claussen. "Oft wird unterstellt, dass alle Bedürfnisse zu allen Zeiten befriedigt werden können." Es habe sich ein regelrechter Druck entwickelt, glücklich sein zu müssen. Und es werde suggeriert, dass man Glück kaufen könne. "Doch stellen Sie sich mal so ein Schlaraffenland vor: Man wäre immer glücklich und zufrieden, immer satt und ausgeschlafen. Es gäbe keine Veränderung", sagt der 49-Jährige. Zwar mache auch ein neues Paar Schuhe glücklich, aber lieber sollte man sein individuelles Glück suchen - ein anderes Wort für Freiheit. Denn so mache man sich unabhängig von der Werbewelt.

Sein Tipp: "Man sollte sich von der Vorstellung lösen, Glück sei immer da. Lieber sollte man neugierig auf das sein, was kommt, denn man weiß ja nicht, was kommt." Verpassen sollte man es aber auch nicht. "Seien Sie wach, wenn das Glück um die Ecke kommt, legen Sie eine Pause ein, genießen Sie es und seien Sie dankbar", rät Claussen. Für ihn war es eine besondere Lebensphase, aus dem Beruf auszusteigen und sich dem Glück zu widmen, sagt er.

Das Thema hat Claussen, der gerade erneut zum Propst gewählt wurde, nicht losgelassen. Als Hauptpastor der Hamburger Kirche St. Nikolai widmet er sich dem Glück auch in seinen Predigten.