Sammelleidenschaft: Erika Tischler kommen nur echte Nussknacker aus dem Erzgebirge ins Haus

Erika Tischler wohnt mit 33 Männern zusammen - so richtig harten Kerlen. Sie tragen Bart und Uniform, zum Teil sogar Säbel und beißen sich im Ernstfall durch verdammt harte Nüsse. Die Atmosphäre in der Wohngemeinschaft ist friedlich und harmonisch und das, obwohl sich die Gesellen das ganze Jahr über im gesamten Wohnzimmer ausgebreitet und ein regelrechtes Lager auf dem Schrank aufgeschlagen haben.

Nachdem die 70-Jährige 1975 den ersten Kerl auf einem Flohmarkt kennengelernt hatte, war es um sie geschehen. Seitdem zieht jährlich in der Weihnachtszeit ein neues Männchen ein, ein Ende ist nicht abzusehen. "Ich liebe Nussknacker", gibt die Reinbekerin zu und muss mit Blick auf ihre stattliche Sammlung selbst schmunzeln. Jeder hat einen eigenen Charakter, einen ausgefallenen Kleidungsstil und vor allen Dingen ein sehr gutes Mahlwerk. Eine große Walnuss knacken alle in Null Komma nichts.

Als Erika Tischler das erste Mal in den Kurort Seiffen im Erzgebirge fuhr, der für seine Nussknacker bekannt ist, traute sie ihren Augen nicht. "Es war eine schrecklich schöne Weihnachtswelt", erzählt sie. Zusammen mit anderen Touristen blickte sie in die Werkstätten und schaute den Handwerkern über die Schulter, die jeden einzelnen Nussknacker per Hand fertigen. Für eine 35 Zentimeter große Figur sind etwa 130 Arbeitsschritte nötig, heißt es aus dem Hause Käthe Wohlfahrt in Rothenburg ob der Tauber. Deren Verkaufsräume sind eine Art Pilgerstätte für Weihnachtsfans. Im erzgebirgischen Seiffen werden auch die Kleider traditionell selbst genäht, hat Erika Tischler beobachtet. Das ist eine Kunst für sich, denn die Nussknacker tragen keine Einheitsuniform, sondern sind wie Bühnenschauspieler in verschiedene Rollen geschlüpft. Bei Erika Tischler leben unter anderem das Phantom der Oper, die Komponisten Wagner, Bach und Beethoven, ein Schäfer, ein Wachmann, ein Golfer, ein Clown, Charles Dickens, sogar Moses mit seinen zehn Geboten. Die Heiligen drei Könige haben im Advent einen Ehrenplatz und werden erst dann vom Dachboden in die Wohnung geholt. "Wichtig ist, dass am ersten Dezember alles aufgebaut ist", sagt die Sammlerin.

Mit ihrer Leidenschaft für die hölzernen Gesellen ist sie in guter Gesellschaft. Die kultigen Knacker haben eine große Fangemeinde, die sich ihr Hobby einiges kosten lässt. Die Liebhaberobjekte kosten ab 150 Euro aufwärts. Schon im 16. Jahrhundert haben sie die Menschen begeistert, fehlten neben Zuckerkringeln, Pfefferkuchen und Äpfeln auf fast keinem Weihnachtstisch. Der echte Nussknacker aus dem Erzgebirge war über Jahrzehnte ein gefragter Exportartikel der DDR und als Souvenir im eigenen Land knapp. Mittlerweile gibt es auch Kopien aus China und Taiwan. Die allerdings kommen Erika Tischler nicht ins Haus.

Gerade ist sie ein bisschen in Pinocchio verliebt. Der allerdings lebt noch in einem Kunsthandwerkerstand in der Hamburger Innenstadt. Dort kennt man die Reinbekerin schon, die traditionell jedes Jahr dort vorbeischaut, um die neuesten Nussknacker-Modelle kennenzulernen. Ob der Kerl mit der langen Nase in diesem Jahr mit nach Reinbek ziehen darf, steht noch nicht fest. Aber tief in ihrem Sammlerherzen hat Erika Tischler eigentlich schon "Ja" gesagt.