Migration: Awo-Berater erleichtern das Leben in der Fremde

Es gibt einen Satz, der in der Sprechstunde der Migrationsberatungsstelle der Awo immer wieder fällt: "Sie müssen einen Antrag stellen." Einen Antrag für eine Aufenthaltsgenehmigung, für einen Kindergartenplatz, für eine Arbeitserlaubnis, für den Besuch eines Sprachkurses, für die Erstattung einer Busfahrkarte, für ein größeres Zimmer - sprich für alles und jedes ein Formular. Das Problem: Die, die den Antrag stellen sollen, kommen aus Afghanistan, Syrien, dem Iran und Irak und sie sprechen kein oder nur ganz wenig Deutsch. Für Menschen wie sie ist Mahmood Nabavi ein Segen. Denn der 56-Jährige ist ihr Begleiter durch den deutschen Behördendschungel, der selbst für jene oft undurchdringlich scheint, die die deutsche Sprache beherrschen.

Mahmood Nabavi spricht nicht nur fließend Deutsch, sondern auch Persisch, Dari, Türkisch und Aserbaidschanisch. Seine Kollegin Julia Kaus, ebenfalls beim Awo-Landesverband Schleswig-Holstein angestellt, zudem noch Russisch. Zusammen sind die beiden ein unschlagbares Team und für die Flüchtlinge, die eine neue Heimat in Reinbek gefunden haben, erste Anlaufstelle für alle Probleme, die man in einem fremden Land haben kann.

Jeden Donnerstag verwandelt sich ein Flur des Reinbeker Rathauses in einen multikulturellen Treffpunkt. Es kommen Menschen, wie der junge Mann aus Afghanistan, der dem E-Werk Sachsenwald eine Einzugsermächtigung für seine Stromrechnung erteilen möchte, aber nicht weiß, wie das in Deutschland gehandhabt wird. Mahmood Navabi, der aus dem Iran stammt, hilft ihm, übersetzt die Formulare, und wird ihn später zu einer Psychologin begleiten. Denn der junge Mann lebt in jener Obdachlosenunterkunft, in der vor Monaten ein anderer Asylbewerber ermordet wurde. "Er leidet noch heute unter den Ereignissen, braucht psychologische Betreuung", erklärt Mahmood Nabavi.

Wenig später umarmt seine Kollegin Julia Kaus eine Frau aus Tschetschenien. Ein Abschied für immer, denn die Mutter von zwei Kindern wird am Montag in ihre Heimat zurückkehren. Trotz der Angst, die damit verbunden ist, ist ihr die Erleichterung anzusehen. Endlich wieder bei ihren Kindern sein - das ist ihr sehnlichster Wunsch. Seit Juni haben die beiden Awo-Mitarbeiter die Asylbewerberin bei der Vorbereitung ihrer Ausreise unterstützt, mit Ämtern gesprochen, bei der Beantragung eines Flugtickets geholfen. Alleine hätte sie das nicht geschafft.

Farid Rostami Tafreshi möchte sehr gern in Deutschland bleiben. Allerdings wünscht sich der 39-jährige Iraner ein zweites Zimmer. Derzeit lebt er mit seinem achtjährigen Sohn in einer Notunterkunft auf engstem Raum. "Sein Sohn kann nicht mal in Ruhe Hausaufgaben machen. Schlafen, spielen, essen, alles findet in einem kleinen Raum statt", übersetzt Mahmood Nabavi die Sorgen des Mannes. Sozialamtsmitarbeiter Torsten Christ, der nur ein Zimmer weiter arbeitet, zeigt sich verständnisvoll, kann derzeit aber nichts versprechen. Alle Notunterkünfte in Reinbek sind voll belegt. Als Nabavi übersetzt, dass sich Torsten Christ um eine Wohnung für Vater und Sohn bemühen wird, strahlt der Iraner über das ganze Gesicht.

Dass die Awo-Mitarbeiter ihre Beratung in den Räumen des Sozialamtes anbieten können, erweist sich den ganzen Vormittag über als Glücksfall. Die Wege sind kurz, die richtigen Ansprechpartner nur wenige Meter entfernt - vieles lässt sich so binnen Minuten klären. "Die Zusammenarbeit ist toll, wir wären glücklich, wenn es in jedem Rathaus so wäre", freut sich Julia Kaus.

Nahezu jeden Gast weist sie auf die Möglichkeit hin, Sprachkurse zu besuchen. Alle bekunden Interesse, wollen ankommen in dem Land, das nun ihre Heimat ist. Rahimeh Abbari aus Afghanistan möchte nicht nur bleiben, sondern auch mit ihrer gesamten Familie in Reinbek zusammenleben. Doch die Hürde ist hoch, die Familie ist verstreut. Ihre Tochter (17) und ihr Sohn (15) leben in Frankfurt, sind als Kinder ohne Begleitung geflüchtet. Ihr Mann ist in Griechenland. Die einzige Chance für ihn und seine beiden älteren Kinder nach Reinbek kommen zu dürfen, liegt bei Rahimeh Abbari. Bekommt die 40-Jährige eine Aufenthaltsgenehmigung, könnte es zu einer Familienzusammenführung kommen. Sicher ist das nicht. Derzeit lebt die Mutter allein mit der jüngsten Tochter (5) in einer Notunterkunft in Reinbek.

Geschichten wie diese hören Julia Kaus und Mahmood Nabavi täglich. Sie helfen, wo sie können.