Kirche: Statt Kinder zu motivieren, muss 42-Jähriger Blumen gießen - Dagegen formiert sich Protest

Ihren Gottesglauben verlieren sie nicht. Das Vertrauen in die Maria-Magdalenen-Kirchengemeinde ist jedoch bei vielen Eltern ins Wanken geraten. Ende September erreichte sie die Hiobsbotschaft: Der bei Eltern, Kindern und Jugendlichen gleichermaßen beliebte Jugenddiakon Sven Jörß (42) wurde durch einen Beschluss des Kirchengemeinderates auf den Friedhof versetzt. "Und die den Jugendlichen vom Kirchengemeinderat zugesagte Hilfe ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, die meisten Gruppen finden sogar gar nicht mehr statt", ärgert sich Marion Blicke (45). Seitdem Jörß weg ist, sei auch die offene Tür zum Jugendbüro geschlossen und durch einen Briefkasten ersetzt worden.

"Das Schlimmste ist, dass wir Eltern vor vollendete Tatsachen gestellt worden sind und über die Versetzung erst im Gemeindebrief informiert wurden", sagen Christian und Astrid Krüger (49), deren 17- und 15-jährige Töchter durch Jörß den Weg in die Gemeinde gefunden haben.

Nun haben sich die Eltern von einem Anwalt beraten lassen, der ihre Interessen und die der Kinder vertreten soll. Inzwischen wurden auch genügend Unterschriften gesammelt, um eine Gemeindeversammlung einzuberufen.

Für die Stelle als Jugenddiakon hatte Jörß vor vier Jahren seine Wohnung in Hamburg aufgegeben und andere Arbeitsangebote abgelehnt. In den vergangenen Jahren kamen Jugendliche sogar aus Bergedorf, um bei den von Jörß ins Leben gerufenen Angeboten wie etwa der Theater- und der Gitarrengruppe, dem Designteam oder dem Predigerkursus mitzumachen. "Nun sagt der Kirchengemeinderat, dass Jörß eine Qualifikation fehlen würde und hat ihn zum Blumengießen abgestellt", ärgert sich Ulrike Pallmeier-Gross.

Bei dem Jugenddiakon fühlten sie ihre Kinder gut aufgehoben. "Er ist wie geschaffen für diese Arbeit, das kann man mit einer Qualifikation nicht erlangen, dazu gehört Talent", sagt Eckhard Gabersek, Vater eines 14-Jährigen.

Am 20. November um 20 Uhr findet nun eine Gemeindeversammlung statt. "Wir hoffen sehr, dass Sven Jörß wieder unser Jugendmitarbeiter sein darf. Sollte er nicht mehr für unsere Kinder da sein dürfen, ziehen wir unsere Konsequenzen", sagt Marion Blicke, die aus der Kirche austreten würde. Ebenso sieht es Eckhard Gabersek. "Wir wären auf keinen Fall die Einzigen, die austreten", sagt Gabersek.

Pastor Rolf Kemper sagt, dass die Stelle des Jugenddiakons nicht neu ausgeschrieben sei: "Wenn Jörß sich in Bewegung setzt, wären wir bereit zu Gesprächen und es würde die Möglichkeit bestehen, dass er seine alte Stelle zurückbekommt." Dem Pastor und dem Kirchenrat gehe es darum, dass Jörß eine dreijährige, berufsbegleitende pädagogische Ausbildung machen soll. Der gelernte Maschinenschlosser arbeitet seit seinem 15. Lebensjahr mit Jugendlichen zusammen. In vielen Bundesländern wird so eine langjährige Arbeit anerkannt und einer pädagogischen Ausbildung gleichgesetzt.