Touren: Wochenlang ist Erika Tischler (70) unterwegs

. Eine Radtour beginnt für Erika Tischler frühestens ab Kilometer 30. Alles andere ist für die 70-Jährige eine Aufwärmübung, bestenfalls eine Spazierfahrt. Die Reinbekerin ist eine von sechs Radtourenleitern der TSV Reinbek und hat privat schon Tausende Kilometer auf dem Tacho - gesammelt in so spannenden und reizvollen Ländern wie China, Vietnam und Hawaii, Kanada, Südafrika und Neuseeland. Aber auch in Deutschland kennt sie nicht nur die bekannten Ecken, sondern auch jene, die in Reiseführern als charmanter Geheimtipp gehandelt werden.

"Wandern macht das Knie nicht mit", erklärt sie fröhlich auf die Frage, warum sie beispielsweise auf dem spanischen Jakobsweg die Satteltaschen und nicht den Rucksack gepackt hat. Dass man die Pyrenäen lieber mit Wanderschuhen als auf zwei Rädern erobern sollte, merkte sie dann auch sehr schnell. "Es war dort so steinig, dass ich mein Rad größtenteils schieben musste", erinnert sie sich. Keine leichte Aufgabe, denn auch wenn das Gepäck auf allen Reisen nur aus dem Nötigsten besteht - an die 15 Kilo wiegt es auch. "Spätestens, als ich ganz schwer gestürzt war und mit nur einer kleinen Schramme davonkam, wusste ich, dass mein Schutzengel ziemlich laut sagte ,Erika, mit dem Rad hast du hier in den Bergen nichts zu suchen'", erinnert sie sich und kann heute darüber schmunzeln.

Unvergessen die Momente, als sie nach Tagesetappen von fast hundert Kilometern in den einfachen Herbergen ankam und mit anderen Menschen abends die Pilgermessen feierte. "Ich bin katholisch und ich wollte auf dem Jakobsweg mit meinem Gott allein sein. Diese Momente in Gemeinschaft waren dennoch ergreifend", sagt sie.

Dass man als Radfahrer auf seinen zum Teil wochenlangen Touren größtenteils allein ist und höchstens mal von einem hupenden Bus überholt wird, hat sie auch in den anderen Ländern festgestellt. In Kanada galten sie und ihr Sohn, der sie auf viele Reisen begleitet hat, als "crazy Germans", als verrückte Deutsche. Dass man sich freiwillig auf ein Fahrrad setzt, um dem Indian Summer entgegenzuradeln, konnten die Einheimischen nicht verstehen. Sie fahren selbst wenige Meter mit dem Auto.

Zu ungewöhnlichen Methoden greift die sportliche Reinbekerin, wenn sich ihr Dinge in den Weg stellen und das Fortkommen behindern. In Neuseeland beispielsweise hat sie Schafe, die die Straße blockierten, einfach weggebellt. Die flitzten in Windeseile in den nächsten Stall, es konnte weitergehen. Mindestens genauso flink ist Erika Tischler, wenn sie einen See oder das offene Meer erblickt. Dann springt sie in voller Fahrradmontur ins Wasser und lässt sich erst mal treiben. "Auch meine Reinbeker wissen, dass Erika in jedem Wasser schwimmt", erzählt sie.

Auch sonst ist sie Abwechslungen am Wegesrand gegenüber aufgeschlossen. Schon vor der Reise überlegt sie, welche Sehenswürdigkeiten sie auf jeden Fall gesehen haben möchte, ist aber auch offen für spontane Begegnungen. Als in Vietnam Frauen plötzlich am Straßenrand Obst, Gemüse und Souvenirs aufbauten, wurde erst mal ausgiebig geshoppt.

Selbst schlechtes Wetter oder unendliche Serpentinen in den Bergen können sie übrigens nicht schrecken. Ihr Motto: immer locker weiterstrampeln, die Gegend genießen und am besten nie nach oben gucken.