Selbstversuch: Alexander Quint schlägt sich wacker durch das Angebot der Messe am Schloss

Im Schloss habe ich sie kennengelernt - ausgerechnet bei der Hochzeitsmesse! Letztes Wochenende war es, als 42 Aussteller mit ihren Angeboten mehr als 1200 Heiratswillige aus ganz Hamburg und Schleswig-Holstein anlockten. Kirschrote Lippen und Fingernägel, Haut wie Ebenholz, die blonden Haare modern und kurz geschnitten und ein unglaublich verführerischer Blick. Diese wunderschönen, grau-grünen Augen, die mich geradezu anzuflehen schienen: "Heirate mich!"

Wie konnte ich da Nein sagen? Ich habe eigentlich überhaupt keine romantische Ader, in meinen Arterien pulsiert der Pragmatismus. Aber sie hat mir den Kopf verdreht. Widerwillig lasse ich sie kurz stehen, mache mich sofort auf die Suche nach Ringen, einem Anzug für mich, einer Hochzeitsreise und natürlich einem Ort zum Feiern. Ganz wichtig ist aber auch die Deko!

Sie überlässt mir die gesamte Planung, und ich bin schnell überfordert. Rosa Luftballons in Herzform oder lieber schlichte, weiße? Wohin wollen wir überhaupt in die Flitterwochen fahren? Und was lassen wir unseren Gästen beim festlichen Dinner servieren? Alles scheint darauf ausgelegt zu sein, dass Frauen die Organisation übernehmen, das merke ich auch bei Gesprächen mit den Ausstellern.

"Also das habe ich ganz selten mal erlebt, dass der Mann das Heft in die Hand nimmt", sagt Tanja Schneider von "Candy & Balloon". Die 44-Jährige hat sich auf Ballons und Tischdekoration spezialisiert, normalerweise suchen die Frauen alles aus. Der zukünftige Bräutigam darf dann höchstens alles brav abnicken.

Ich verschiebe die Frage nach der Deko und wende mich der Hochzeitsreise zu. Eine Kreuzfahrt wäre doch schön, da können wir uns sogar gleich vom Kapitän trauen lassen! Aber wohin denn nun? Die Auswahl ist auch schon wieder so groß. Da muss ich meine baldige Braut wohl auch noch mal fragen.

Na gut, dann vielleicht schon mal Trauringe aussuchen? Beim Stand der Goldschmiede "Tendenzen" trifft mich der nächste Auswahlschock. Die sind doch alle schön! Aber lieber Gold oder Silber, mit oder ohne Diamant? Schließlich muss sie den Klunker ja im besten Fall für den Rest ihres Lebens tragen, das sollte sie wirklich selbst entscheiden.

Okay, wo könnte man denn feiern? Im Zollenspieker Fährhaus oder im Hotel Ramada in Bergedorf. Denn die vielen verschiedenen Optionen bei den Menüs lassen mich ratlos zurück. Drei Gänge oder fünf, Fleisch, Fisch, eine vegetarische Alternative? Sogar beim Schokoladenbrunnen kann man sich aussuchen, wie viele Etagen er haben soll.

Jedes Mal, wenn ich meine große Liebe um Rat frage, ignoriert sie mich einfach. Sie hat wohl überhaupt keine Lust, irgendetwas zu planen. Vielleicht hätte ich einfach einen der Hochzeitsberater einspannen sollen, die alles übernehmen. Aber ich will nicht meckern und suche mir erst einmal einen Anzug aus. Bei "Ankes Trachtengalerie" werde ich fündig, für 525 Euro ist von der Hose bis zum Jackett alles mit dabei. Zudem passt er wie angegossen. "Darf ich Sie mal von vorn sehen?", fragt mich ein anderer Messe-Besucher. "Ach guck mal Schatz, das sieht doch schick aus", sagt er zu seiner Freundin. Das gibt mir neues Selbstbewusstsein, nachdem die grau-grünen Augen meiner Freundin mich zuletzt gar nicht mehr so verliebt ansahen.

Ein letztes Mal versuche ich mich zu wenigstens ein paar Entscheidungen durchzuringen. Wie machen das eigentlich all die anderen? Meistens sprechen die Frauen mit den Ausstellern, die Männer trotten nur hinterher oder stehen dekorativ daneben. Das muss ich meiner neuen Freundin mal erzählen! Doch sie zeigt mit die kalte Schulter, will nicht einmal ihren Namen verraten. Da habe ich wohl doch zu viel in ihren Blick hinein interpretiert. Jetzt wirkt sie eher hölzern. Als ich ihre kalte Hand greife, um sie zu den Trauringen zu schleppen, bemerke ich: Meine große Liebe ist eine hölzerne Schaufensterpuppe! Immerhin spare ich mir den ganzen Aufwand, eine Hochzeit zu organisieren. Eine Last fällt von mir ab und ich gehe zum Ausgang. Einen letzten Blick riskiere ich. Ihre Augen wirken plötzlich traurig, habe ich etwa doch ihr hölzernes Herz gebrochen? Mit schlechtem Gewissen verlasse ich das Schloss - vielleicht sehe ich sie bei der nächsten Hochzeitsmesse wieder. Etwas mehr Initiative sollte sie allerdings zeigen.