Die Natur als Lehrmeister: Unsere Volontärin Louisa Rascher besuchte die Kinder in der Lohe

"So geht das nicht", erklärt mir die kleine Elisa geduldig. "Du musst den Daumen auf das Messer legen und dann von dir wegschnitzen." Wir sitzen auf dem Boden in den Wäldern der Wentorfer Lohe. Es ist kalt, es regnet und es ist matschig. Die sechsjähirge Elisa ist daran gewöhnt, ist sie doch als Kind des Waldkindergartens Wentorf jeden Tag bei Wind und Wetter draußen. Ich hingegen bin in der Stadt aufgewachsen und schon nach zwei Stunden mächtig durchgefroren. Doch mein Vorhaben steht fest: Ich will einmal Waldkind sein.

Um 8.30 Uhr treffen sich die Kinder im kleinen Zentrum des Waldkindergartens direkt hinter der einstigen Gärtnerei Knappe. Im Tipi beginnt der Morgenkreis. "Hier singen wir Lieder, spielen und erzählen uns Geschichten", erklärt mir Erzieherin und Wildnispädagogin Andrea Stoltenberg. Sobald wir unsere Müdigkeit abgeschüttelt haben, geht es auch schon los. Mit Brotdosen, Thermoskannen mit Tee und wetterfester Kleidung im Rucksack marschieren wir mit den beiden Erziehern in Richtung Wald.

Egal ob brütende Hitze, Regen oder Schnee, "schlechtes Wetter gibt es bei uns nicht", sagt Stoltenberg optimistisch. Ist es für die Kinder draußen zu stürmisch, gibt es einen kleinen Bauwagen oder das Tipi als Rückzugsort - anstelle von einer Heizung werden die Durchgefrorenen dort von einem Lagerfeuer gewärmt. Doch es kommt nur selten vor, dass die Gruppe keine Entdeckungstour machen will. Heute steuern wir eine regengeschützte Stelle am Waldrand an, wandern über weitläufige sattgrüne Wiesen der idyllischen Lohe und klettern über Hügel. Geschickt halten die Kleinen ihr Gleichgewicht, sie haben schon Übung. Ich rutsche erst einmal aus und kann mich gerade noch abstützen, um nicht mit dem Hintern in einer Pfütze zu landen.

Am Ziel angekommen, rufen die Erzieher uns zum Frühstück - wir bilden auf kleinen Polstern einen Sitzkreis und stärken uns vor einer malerischen Landschaft. Muss dann ein Kind mal auf Klo, dann heißt es ab ins Gebüsch - ganz unkompliziert.

Voller Energie springen die Kleinen nach dem Frühstück auf: Sie wollen sich bewegen, an Hängen klettern, unter Steinen nach Tieren suchen und Vögel beobachten. "Guck mal, was ich gefunden habe!" Diesen Satz hören Stoltenberg und ihr Kollege Tim Kolonko von den "Waldkindern" häufig. "Das ist das tolle an der Natur: Sie ist unerschöpflich.", erklärt Kolonko begeistert. Die Idee hinter den Waldkindergärten: Die Kinder sollen mit der Natur aufwachsen, stets neugierig sein, Sozialverhalten entwickeln und lernen durch Beobachten. Ganz nach dem Motto "Es geht auch ohne Plastikpuppen und elektrische Autos" spielen sie mit Seilen oder denken sich selbst kreative Spiele aus.

Von Berührungsängsten mit der Natur, mit Erde, Spinnen und anderem Krabbelgetier ist bei den Kindern keine Spur zu erkennen - bewundernswert und im Zeitalter von Computer und Gameboy längst nicht mehr selbstverständlich. Müde und mit einem friedlichen Lächeln auf den Lippen laufen die Kleinen um 13 Uhr ihren wartenden Eltern am Tipi entgegen. Ein Tag im Waldkindergarten neigt sich dem Ende zu. Ich bin erschöpft, aber zufrieden und trete zurück in die Erwachsenenwelt - die rosigen Wangen vom Vormittag in der Natur aber bleiben mir erhalten.

www.waldkindergarten-wentorf.de