Erzgebirgsstübchen verbindet Tradition mit Moderne

Als Symbol für jedes Familienmitglied hatte man im Erzgebirge schon im 12. Jahrhundert einen kleinen Holzengel oder einen Bergmann im Fenster stehen. Kehrten Vater und Sohn nicht von der Arbeit heim, dann drehte man die Holzfigur um - als Zeichen für die Sorge, in der sich die Familie befand. Noch heute folgen viele alteingesessene Sachsen dieser Tradition. Und die kleine Holzfigur hat sich im Laufe der Zeit zu einer der traditionsreichsten deutschen Handwerkskünste gemausert: zur Erzgebirgischen Volkskunst.

Nussknacker, kleine Weihnachtsengel, Schwibbögen und Flügelpyramiden - viele dieser Stücke haben auch wir im Norden zu Weihnachten in unseren Fenstern stehen. "Die Figuren sind immer vollkommen handgemacht", erklärt Rena Bremer. "Dieses Handwerk gibt es eigentlich nur im Erzgebirge." Und seit 2005 auch in Reinbek. Hier eröffnete Familie Bremer, allen voran Vater Uwe, das "Kleines Erzgebirgsstübl" im Klostermarkt. Zwar schnitzt Uwe Bremer die Figuren nicht selbst, aber auch er stammt aus der Region an der Grenze zu Tschechien. "Wir haben diese Kunst einfach im Herzen", erklärt Tochter Rena in einem leicht sächsischen Akzent.

Ihren Anfang nahm die Tradition bei den Bergleuten. Rena Bremer erläutert: "Weil die Arbeiter im Winter wenig zu tun hatten und sehr arm waren, haben sie begonnen, kleine Schnitzereien anzufertigen." Und Holz gab es schließlich genug. So schnitzten die Bergleute zunächst kleine Figuren für ihre Kinder. Als die Kunst später ausgereift und vorzeigbar war, bemühten sie sich, ihre Figuren und Bögen auf Märkten zu verkaufen. Spätestens als die Erzvorkommen im 16. Jahrhundert nachließen, mussten viele Bergarbeiter sich eine neue Lebensgrundlage suchen. Die Freizeitbeschäftigung wurde zum professionellen Kunsthandwerk. Die Wurzeln im Bergbau aber spiegeln sich bis heute in den Figuren wider, denn fast jedes Stück hat eine symbolische Bedeutung und dient nicht allein der Optik.

Soldaten und Könige mussten harte Nüsse knacken

So entstand etwa der Nussknacker aus dem Willen heraus, die Obrigkeit darzustellen. Soldaten und Könige hatten schließlich wortwörtlich harte Nüsse zu knacken. Den Eingang zum Bergwerk stellten die Schwibbögen mit ihrer runden Form aus feinem Holz dar und die oft auf Weihnachtsmärkten zu findenden Flügelpyramiden sollten die nach oben zirkulierende Luft im Bergbau symbolisieren. "Zwar sind die Farben mittlerweile nicht mehr so blass, aber ansonsten hat sich das Aussehen der Figuren nicht gewandelt", weiß Rena Bremer.

Viele Einzelstücke sind zu begehrten Sammlerstücken geworden. "So ein daumengroßer Engel kann 30 bis 40 Euro kosten", betont Bremer. Eine Spieluhr kommt schon mal auf den zehnfachen Preis.

Kunden empfängt die Familie in ihrem Geschäft in Reinbek aus ganz Norddeutschland. Vor allem Stammkunden beflügelten bis zuletzt das Geschäft, das nun ein jähes Ende findet. Vater Uwe möchte in Rente gehen. "Und außerdem sind uns die Mieten im Klostermarkt zu hoch geworden", erklärt Bremer. Noch bis Ende Januar veranstaltet die Familie einen großen Räumungsverkauf. Ein Geschäft an einem anderen Standort wollen die Bremers dann nicht mehr eröffnen. "Vielleicht verkaufen wir die Restposten noch ab und zu auf kleinen Märkten." Eben ganz in der Tradition erzgebirgischer Bergleute.