775 Jahre Reinbek Helga und Rolf Bahruth sind für den Museumsverein auf Spurensuche gegangen

Rolf Bahruth ist in Neuschönningstedt "Klinkenputzen" gegangen. Allerdings wollte er keine Ware an den Mann bringen oder Spenden eintreiben, sondern Informationen sammeln. Sein Anliegen kam an. Unzählige Türen öffneten sich dem 76-Jährigen, wildfremde Menschen boten ihm in ihren Wohnzimmern Kaffee an und lieferten das, was er wollte: Geschichten aus seinem eigenen Stadtteil.

Den Anstoß für das große Interesse an Neuschönningstedt und seiner Historie hatte Gisela Manzel, Vorsitzende des Museumsvereins Reinbek, gegeben. Sie hatte den Schatzmeister des Vereins Heimatfreunde Schönningstedt-Ohe gebeten, einen Beitrag für die Begleithefte zur Ausstellung "775 Jahre Reinbek" zu schreiben. Und das ließ sich Rolf Bahruth nicht zweimal sagen.

Immer tiefer stieg er in die Thematik ein, sprach nicht nur mit seinen Nachbarn und Reinbeks Stadtarchivar Carsten Walczok, sondern fuhr sogar zum Katasteramt nach Lübeck, um mehr über die ersten Besitzer der Häuser an der Möllner Landstraße zu erfahren. "Ich bin von Haus zu Haus gelaufen, habe viele Leute rebellisch gemacht", erzählt der 76-Jährige vergnügt, dessen Geschichtsvirus schnell auch auf seine Frau übersprang.

Dass es so viel aus seiner Heimat zu erzählen geben würde, hätte er selbst anfangs nicht gedacht. Als junger Mann war für den geborenen Volksdorfer Neuschönningstedt nur eine lange Straße mit ein paar Häusern, durch die er als Wehrdienstleistender mit Panzern von Rahlstedt nach Glinde fuhr. Heute weiß er, dass es im ältesten, mittlerweile abgerissenen Haus von Neuschönningstedt - dem 1806 erbauten Haidkrug - nicht nur Hirsche und Maulbeerbäume, sondern sogar eine Seidenspinnerei gegeben hat und dass dort die Postpferde rasteten, bevor sie wieder mit der Kutsche Fahrt aufnahmen.

Rolf Bahruth hat sogar Anzeigen der Norddeutschen Terrain-Gesellschaft gefunden, in denen diese bereits 1912 Bauplätze im "Luftkurort Neu-Schönningstedt bei Reinbek" bewarb. "Offiziell wurde der Name Neu-Schönningstedt jedoch erst 1927", erklärt der Hobby-Historiker.

Immer wieder erzählten ihm die Menschen auch, dass es anno dazumal eine große Schlittschuhfläche im Stadtteil gegeben hatte. Die Recherche führte Rolf Bahruth und einen Freund bis zu einem Bach, der namenlos durch die Oher Tannen fließt und im sogenannten Siegesgrund mündet. Dort, wo heute die Kieskuhle der Firma Xella ist, gab es früher das Kufenvergnügen für die Dorfjugend. Das Wasser des Baches versickerte nicht sofort, sondern gefror zu einer prächtigen Eisfläche.

Auch der Blick aus dem eigenen Küchenfenster hat sich für das Ehepaar Bahruth grundlegend geändert. Denn dort, wo heute die Häuser der Nachbarn stehen, gab es früher die sogenannte Haidbergsiedlung. Der Reinbeker ist sicher: "Die kennt heute fast keiner mehr." Auf dem Gelände eines enteigneten jüdischen Bürgers waren nach dem Krieg Behelfsunterkünfte für Flüchtlinge entstanden. Die Geschichte der Siedlung ist in einem alten Aktenordner dokumentiert, den Rolf Bahruth von den Eheleuten Lehr am Rosenweg ausgehändigt bekam: eine Fundgrube an Informationen.

Die Geschichte der Haidbergsiedlung und unzählige weitere Ereignisse und Anekdoten aus ganz Reinbek sind in den Begleitheften des Museumsvereins von Rolf Bahruth und zahlreichen anderen Autoren liebevoll und fundiert zusammengetragen worden.

Die Ausstellung "775 Jahre Reinbek", die schon Tausende gesehen haben, reist vom Schloss über die VHS nun nach Neuschönningstedt. Vernissage ist am Sonnabend, 26. Oktober, 19.30 Uhr, im Kirchengemeindehaus (Kirchenstieg). Vor der Eröffnung gibt es ab 18 Uhr ein Konzert mit dem Trio "DreierleiKlang".