Jubiläumsreitturnier: An den Start mit Nagellack passend zum Pferd, Schwanztoupets und Fliegenspray

Ungewöhnliches Szenario am Wochenende in der Lohe: Statt Spaziergänger und Radfahrer prägten PS-starke Fahrzeuge und modernste Pferdeanhänger das Bild des Naturschutzgebietes und ehemaligen Übungsgeländes der Bundeswehr. Da guckten selbst die Schafe erstaunt. Beim Anblick der zahlreichen Zwei- und Vierbeiner - insgesamt 760 Pferde und mehr als 500 Reiter - blökten und meckerten sie besonders laut. "Die Pferde mögen das gar nicht", sagte Julia Lamps, die ihr Pony Amanda gerade gesattelt hatte und sich auf den Weg zur Dressurprüfung L-Kandare auf dem Turnierplatz am Grübbenweg machte. Dort wurde zwei Tage lang das 50-jährige Bestehen des Hamburg-Wentorfer Reitervereins gefeiert.

Frank Wegner konnte sich bei der Springprüfung mit seinem sechsjährigen Hannoveraner Wallach Converdor über den zweiten Platz freuen. Der Curslacker und seine Frau Oda, die mit einem zweiten Pferd zur Dressur gemeldet war, hatten einen ziemlich kurzen Anreiseweg. Andere Teilnehmer reisten aus Lübeck, weiten Teilen Niedersachsens, Hamburgs und eben Schleswig-Holsteins mit ihren Pferden nach Wentorf an. Regina Wieloguzow aus Norderstedt ging mit Cesseta und Helena an den Start.

Die selbstständige Reitlehrerin und Pferdeausbilderin hatte beide Pferde für die M-Dressur gemeldet. Da bei der Prüfung auch die Optik stimmen muss, bürstete Freundin Astrid Krellenberg den Schwanz von Cesseta besonders sorgfältig. Wenn der Schweif eines Pferdes nicht so üppig ist, helfen einige Reiter sogar mit einem "Schwanztoupet" nach.

Optisch einen hervorragenden Anblick boten Louisa Krabiell und ihr Apfelschimmel Waykiki. Das strahlende Blau der Reiterjacke zierte auch den Kopfschmuck und die Satteldecke der siebenjährigen Stute. Selbst die Fingernägel der jungen Reiterin waren Ton in Ton. "Mein Pferd, ein Holsteiner Springpferd, habe ich vor zwei Jahren zu Weihnachten bekommen", erzählte Louisa gut gelaunt. Sie konnte sich auf jeden Fall beim L-Springen platzieren. "Das freut mich besonders, weil ich durch einen Fahrradunfall ein halbes Jahr lang nicht reiten konnte und hier in Wentorf nun mein erstes Turnier danach bestreite."

Ihr Pferd hat die 20-jährige Lübeckerin selbst ausgebildet. "Als ich es bekam, konnte es gar nicht springen." Seit zehn Jahren reitet sie und liebt Pferde über alles. Täglich zwei bis drei Stunden verbringt sie im Stall in Duvensee, wo ihre Stute untergebracht ist. Dementsprechend harmonisch ist das Bild von Ross und Reiterin, die auf die Siegerehrung warteten.

Calantha, eine siebenjährige Holsteiner Stute, gehört den Schwestern Alina und Vanessa Möller. Stolz zeigten sie auf die Schleife am Pferdekopf: "Unser Pferd hat gerade den ersten Elbparcours erfolgreich absolviert." Auch die beiden anderen Prüfungen - ein Zeitspringen sowie ein E-Springen bis 95 Zentimeter Höhe - gelangen bestens. Die Schwestern aus der Heide, 21 und 25 Jahre alt, werden bei Turnieren tatkräftig von den Eltern unterstützt. Ein längerer Aufenthalt in Wentorf war nicht geplant. Nach dem Turnier ging es sofort wieder gen Heimat. Alle sind jedoch voll des Lobes über die gute Organisation.

"Allerdings sind die Wege ein bisschen zu weit", fand Reitlehrerin Claudia Nagel aus Timmerhorn. Dann musste sie erst mal den Schrecken verdauen, den ihr Cassius Clay, ein sechsjähriger Fuchs-Wallach, eingejagt hat. Der hatte sich zwar bestens beim Springen behauptet, schreckte dann aber vor dem Wasserwagen zurück, riss sich los und galoppierte davon. Mit schmerzendem Arm setzte sich die Reiterin erst einmal an den Wegesrand, Hund Rocky zu ihren Füßen. Zum Glück fingen Tochter Anna-Larell und andere Reiter den Fuchs ganz schnell wieder ein.

Etwas dichter am Turniergelände hatte Gesa Krohn Auto und Anhänger geparkt. Wenig später musste sie zur M-Dressur mit Trakehnerhengst Peu à Peu, der unruhig am Zügel von Helferin Britta Stemmler gehalten wurde. Die angehende Juristin aus Bergedorf hatte sich auch für die S-Dressur angemeldet. Schnell besprühte sie ihren Hengst, der in Granderheide seinen Stall hat, noch mit Fliegenspray. Die hielten Abstand, machten ihn nicht noch nervöser.

Florian Hering (30) hat gleich die ganze Familie aus Tangstedt mitgebracht. Drei Pferde hat der Hufschmied dabei, entsprechend groß ist sein Pferdetransporter, in dem man sogar wohnen kann. Der junge Vater - Sohn Jonas ist 16 Monate alt - ist mit Pferden aufgewachsen, der Turniersport ist sein Hobby. In Wentorf gefällt es ihm ausgezeichnet. Kein Wunder, sein riesiges Fahrzeug steht ja auch direkt neben dem Turnierplatz fürs Springen.

Näher dran geht es nicht. Lampenfieber, Siegesjubel, Pferdeschweiß und der Geruch nach Stroh und Heu inklusive. Die Mischung, die alle seit 50 Jahren am Grübbenweg lieben.