Stahl-Plastik: Renaissance eines Kunstwerks im Internet - Der Schöpfer lebt vergessen in Berlin

Mit ernster Miene lehnt der Künstler an seinem monumentalen Werk, das ihn um Längen überragt. Am 6. Mai 1967 wurde die Skulptur von Detlef Birgfeld feierlich an der Hamburger Straße enthüllt. Heute ist der einst in der Kunstszene bekannte Bildhauer in Vergessenheit geraten. Tausende fahren täglich an seiner riesigen Stahlplastik neben der Holländerbrücke vorbei, ohne sie vermutlich eines Blickes zu würdigen. So manchem gibt sie wohl immer noch Rätsel auf. Von "Schneejungfrau" bis "Symbollek" über "Guillotine" wurde das konstruktivistische Relikt schon betitelt.

Geocacher nutzen die Skulptur für "geheime Verstecke"

Das Internet hat dem Werk jetzt eine neue Bedeutung verschafft. Das markante Konstrukt haben Geocacher (griechisch Erde, englisch geheimes Lager) als Versteck entdeckt. So steuert mancher moderne Schatzsucher mit seinem GPS-Gerät jetzt Reinbek an. Um die Koordinaten des Versteckes zu ermitteln, müssen Rätsel gelöst werden. Zum Beispiel: Wie viel senkrechte Streben wurden zwischen die Rohre geschweißt?

Der Schöpfer der Skulptur aus wetterfestem Stahl lebt inzwischen in Berlin. Seine geschiedene Frau Heidi Birgfeld (75) betreut ihn. Manchmal mache er noch Kunst, aber meist fehle ihm die Kraft oder die Erinnerung. Birgfeld wurde 1937 in Rostock geboren. Von 1958 bis -63 studierte er Bildhauerei an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg bei Hans Ruwoldt, Gustav Seitz und Eduardo Paolozzi. Der Stahlturm wurde als "Kunst am Bau" von einer Jury ausgewählt, als Gegenspieler zu den markanten Bauwerken des neuen Viertels und Einkaufszentrums am Täbyplatz.

Ob sich der Künstler verstanden fühlte? In einem Interview soll er daran gezweifelt haben. Die Reinbeker hätten gar nicht richtig mitgekriegt, was das sieben Meter hohe Monument bedeuten solle. In einem Sonderdruck der Hamburger Kunsthalle von 1989 über eine Ausstellung zum Jahrestag der französischen Revolution sollen ein Bild des Modells der Plastik und ein Interview abgedruckt sein. Birgfeld verstand sich als politischer Künstler, wollte Zeichen setzen für gesellschaftliche Veränderungen. Die Guillotine sollte symbolisch einen Schnitt zum etablierten Kunstbetrieb machen.

Jung-Literat erläuterte bei der Enthüllung das Werk

Für unsere Zeitung holte Heidi Birgfeld noch einmal die alten Fotos aus dem Album. Mit großem Trubel wurden die Künstler am 6. Mai 1967 im Sachsenwahld-Einkaufszentrum gefeiert. Eine Jazz-Kapelle spielte. Jung-Literat Uwe Herms erläuterte Werk und Wirken seines Bildhauer-Freundes, wie unsere Zeitung am 8. Mai 1967 vom Eröffnungsfest berichtete. Der 'Stahlturm' mit seinen sieben Metern Höhe habe als Gegenspieler zum Hochhaus, zur Kneipenfassade, zur Fußgängerbrücke ein vergleichsweise bescheidenes Format, aber er könne sich als Qualität gegen die Quantität behaupten, wird er zitiert. Vielleicht wird sie jetzt der eine oder andere Vorbeifahrende anschauen.