Verdeckter Einsatz: Polizist setzt private Leidenschaft auch beruflich ein

15 Handys, 50 DVD, Taschen, 30 Uhren, poppig bunte T-Shirts und eine Kleinbildkamera. Jedoch: Er darf es nicht, und er will es auch auf keinen Fall. Denn alles sind Plagiate, und die hat er selbst aus dem Verkehr gezogen.

Der 43-jährige Polizist aus Reinbek setzt seine private Leidenschaft für Flohmärkte jetzt auch beruflich ein. Während er nach Feierabend und an freien Tagen in Norddeutschland zwischen Kram und Krempel, Raritäten und Dachbodenfunden nach altem Spielzeug und anderen Kindheitserinnerungen sucht, sind seine Augen beruflich auf nachgemachte, hochwertige Produkte - Plagiate - gerichtet. Allein beim letzten Flohmarkt auf dem Gelände des Famila-Marktes an der Liebigstraße hat er den gesamten "Bauchladen" an Uhren, Handys und Co. beschlagnahmt. Er schätzt, dass rund 20 Prozent der Flohmarkthändler unter dem Deckmäntelchen des Privatmannes gewerblich und an der Steuer vorbei verkaufen, hinzu kommen jene, die Plagiate an den Mann bringen wollen.

Gutsch ist auf den Märkten zwar in Zivil, also lässig in Jeans und T-Shirt, unterwegs, gibt sich an verdächtigen Ständen jedoch als Polizist zu erkennen. Bei den Uhren hat er sofort gemerkt, dass etwas faul ist. Uhren der Marke "Fossil" sollten nur zehn Euro kosten. Wären sie echt, müssten die Käufer weit über 100 Euro auf den Tisch legen. Auch die berühmte Uhr "Space time" von Omega - die erste Uhr auf dem Mond - kostet sicher nicht sieben Euro, sondern Tausende. Dass die poppig bunten "Ice watch" nicht echt sind, hört Thomas Gutsch bereits am Klang. Denn das Gehäuse sollte sich nahezu lautlos drehen lassen und nicht klingen wie eine schlecht geölte Eieruhr. Auch T-Shirts mit den Aufschriften von trendigen alkoholischen Getränken sind sicher nicht im Namen des Getränkeherstellers entstanden. Mittlerweile hat der Polizist ein gutes Auge für gefälschte Ware. Um immer auf dem neuesten Stand zu sein, informiert er sich im Internet über aktuelle Fälschungswellen und zahlreiche Produkte.

Handelt es sich nicht um Profi-Betrüger, sondern Privatleute, die etwas verkaufen, was sie nicht dürfen, reagieren sie auf Gutsch' Ansprache meist einsichtig. Dass sie Fersengeld geben und in der Menge verschwinden - so geschehen am vergangenen Sonntag - ist die Ausnahme. Als der Polizist auf dem Flohmarkt den etwa 40 Jahre alten Mann* ansprach und darauf hinwies, dass er Plagiate verkauft, war dieser wenige Sekunden später verschwunden. Der Polizist hatte die Wahl zwischen "hinterherlaufen, Menschen beiseite schubsen und beim Sprung über Flohmarkttische Schaden anzurichten" oder dem Sichern der falschen Ware. Er entschied sich für Letzteres. Jetzt ist er nicht nur im Besitz von Handys und Uhren, sondern hat auch einen Stuhl, eine Bank, einen Tisch und Kleidung des Verkäufers. Die Flohmarktbesucher staunten nicht schlecht, als Polizisten anrückten, um all das abzutransportieren.

Nach dem Flohmarktbesuch geht für den Plagiatsjäger die Arbeit weiter. Die Fundstücke müssen katalogisiert und an die betrogenen Firmen geschickt werden. Nicht wenige stellen dann Strafanzeige und vor allem Schadensersatzansprüche an den Verkäufer. "Ziehen die Firmen das durch, gehen die Ansprüche in die Tausende", weiß Thomas Gutsch.

Der Verkauf von gefälschter Ware ist keinesfalls ein Kavaliersdelikt. Der gesamtwirtschaftliche Schaden geht in die Milliarden. Bei seinem Engagement hat der Reinbeker Polizist aber vor allem auch die Flohmarktbesucher in Blick. Strafbar ist der Kauf nicht, aber Gutsch möchte nicht, dass sie mit Billigware übers Ohr gehauen werden. "Flohmärkte sind klasse, man müsste Eintritt nehmen, so toll ist das", sagt Gutsch. Er wird weiter zwischen alten Platten, Büchern, Porzellan und Omas Kaffeeservice nach Plagiaten suchen - denn die schwarzen Schafe verderben letztlich den gesamten Flohmarkt-Spaß.

Der Mann hatte eine Glatze, ist 1,80 Meter groß und war mit einem schwarzen Renault Espace mit Lübecker Kennzeichen unterwegs. Wer Hinweise geben kann, melde sich bei der Polizei unter Telefon (040) 727 70 70.