Amtsgericht: 23-Jähriger ohne Anwalt auf der Anklagebank

Auf dem Verbindungsweg zwischen Mühlenredder und Eichenbusch stand plötzlich ein Exhibitionist vor der 22-jährigen Hamburgerin und zeigte der jungen Frau sein entblößtes Geschlechtsteil. "Seit dem Vorfall mache ich eine Trauma- Behandlung und mag nicht mehr alleine unterwegs sein", sagte sie gestern als Zeugin vor dem Amtsgericht Reinbek. Dabei zitterte ihre Stimme und man spürte, dass die Erinnerung an das Geschehen die junge Frau immer noch quält.

Damals war Sandra F. mit ihrem Freund verabredet, der in Reinbek wohnt. Er wollte sie vom Bus abholen, hatte es aber nicht rechtzeitig geschafft und erklärte ihr per Handy, welchen Weg sie einschlagen sollte. Sie nahm den Verbindungsweg und bemerkte, dass ihr jemand folgte. Als sie stehen blieb, stand der Mann plötzlich vor ihr. "Ich fing sofort laut an zu schreien, mein Freund am Telefon auch. Das trieb den Täter in die Flucht." Dabei habe er seine Zigarette, die er im Mund gehalten hatte, weggeworfen. Gemeinsam mit dem Freund, der sie inzwischen erreicht hatte, klingelten sie bei Leuten, baten um Hilfe und informierten die Polizei.

Etwa drei Wochen später glaubte Sandra F. in der S-Bahn den Täter wiederzuerkennen. Die polizeilichen Ermittlungen ergaben, dass es sich um einen 23-jährigen Mann aus Hamburg handelte - und der saß gestern im Amtsgericht Reinbek auf der Anklagebank. Allerdings ohne einen Anwalt, denn "ich weiß nicht mehr, was ich an dem besagten Abend gemacht habe, aber ich war auf keinen Fall in Reinbek", beantwortete der Angeklagte die Frage der Richterin. Weil er definitiv nicht der Täter sei, habe er auch ohne Bedenken und freiwillig eine Speichelprobe abgegeben. Die fiel nach dem Abgleich der Spuren von der weggeworfenen Zigarette des Täters auch tatsächlich negativ aus.

Weil die junge Frau auch gestern im Gerichtssaal nicht einwandfrei bestätigen konnte, dass der auf der Anklagebank sitzende Mann der Exhibitionist von damals sein könnte, plädierte auch der Staatsanwalt auf Freispruch. "Die Beweislage ist einfach zu dürftig und es gab auch keine DNA-Spuren vom Angeklagten an der Zigarette. Im Zweifel für den Angeklagten", sagte er. Dem schloss sich die Richterin an. "Die Täterbeschreibung könnte auf viele andere junge Männer zutreffen", sagte sie in ihrem Schlusswort.

Wer der Exhibitionist ist, bleibt damit bis auf Weiteres ungeklärt.