Glas: Oliver Drobar geht in seiner Werkstatt bei 1900 Grad an die Grenzen des Materials

Der Hamburger folgte dem Rat und tauchte ab in eine Welt, die ihn bis heute künstlerisch inspiriert.

Denn Ernst Haeckel zeigt die Natur wie unter einem Mikroskop. Feinste Linien und Strukturen sind dort sichtbar. Betrachtet man die Kunstwerke von Oliver Drobar, die derzeit im Reinbeker Schloss zu sehen sind und ganzjährig in seinem Werkstattatelier in der Bleichenhof-Passage in Hamburg präsentiert werden, scheinen auch sie wie aus einer anderen Welt. Die Glaskunst ist so filigran, dass man sich kaum traut, sie anzufassen. Doch der Hamburger versichert: "Sie sind standfester, als man denkt."

Schon als kleinen Jungen haben ihn im Italienurlaub Werke aus Murano-Glas fasziniert. Eine Kindheitserinnerung, die bei der Berufswahl zunächst keine Rolle spielte. Nach dem Abitur entschied er sich für eine Lehre zum Schiffsmechaniker, verbrachte Monate bei rustikaler Arbeit auf See. Seine mehrwöchigen Landgänge führten ihn auch nach Seattle, eine Hochburg der Glasbläserkunst. Der Funke sprang endgültig über. Nun war klar, dass die Zukunft eine künstlerische sein würde. Jahrelang hat Oliver Drobar in einer deutschen Glasbläserei gearbeitet. Noch vor dem offiziellen Arbeitsbeginn saß er an der Werkbank und feilte an der Technik, für die er heute bekannt ist.

Denn über der offenen Flamme geht er an die Grenzen des Materials. Die netzartige Struktur, die mal wie ein Spinnennetz, dann wieder wie eine Koralle aussieht, entsteht in stundenlanger Feinarbeit. Zunächst bläst er ein rundes oder ovales Gefäß. Dann durchbricht er die Glasstruktur, indem er punktuell die 1900 Grad heiße Flamme ansetzt. In der Folge zieht sich das Glas auseinander und formt sich an anderer Stelle wieder neu. "Am Anfang habe ich bestimmt drei oder vier Jahre nichts zustande gebracht, was man hätte verkaufen können", erinnert sich Drobar. Aufgeben kam für ihn dennoch nicht infrage, denn genau an dem Punkt wurde es für ihn spannend. Er ist sicher: "Eigentlich gibt es beim Glas keine Grenzen. Alles ist möglich." Beim Arbeiten verlässt sich der Hamburger auf sein Bauchgefühl. Manchmal betrachtet er fertige Werke und stellt fest, dass sie noch weiterentwickelt werden müssen - dann startet der nächste künstlerische Prozess. Dass seine Arbeit nicht nur mit Fingerspitzengefühl und Kreativität, sondern auch sehr viel mit Konzentrationsfähigkeit und Kondition zu tun hat, ahnt man, wenn man Oliver Drobar in seiner kleinen Werkstatt beobachtet. Für die kleinen und großen Anhänger aus Glas, in denen faszinierende Blumen zu wachsen scheinen, braucht er wenige Stunden. Nach und nach werden aus feinen, bunten Strichen Blütenblätter, um die sich sanft eine Hülle aus Glas schließt. Die Technik, mit einem hohlen Glaskolben zu arbeiten, ist Drobars eigene Erfindung. "Es ist aufwendiger als das Arbeiten auf plattem Glas, aber auch viel exakter", erklärt der Vater von drei Kindern. Am Weihnachtsbaum hängen jedes Jahr Kugeln, die er zusammen mit ihnen angefertigt hat.

Wer der alte Mann mit dem Spazierstock war, der ihn zu kreativer Höchstleistung animiert hat, weiß Oliver Drobar übrigens bis heute nicht.

Die Glaskunst ist noch bis Mitte August im Reinbeker Schloss, Schloßstraße 5, zu sehen. Oliver Drobrar führt am 14. Juli, 11.30 Uhr, durch die Ausstellung.