Prozess: Mutter knackt Heizungsplombe

Schließlich konnte die Mutter Anja M. das Elend ihrer Kinder nicht länger mit ansehen und knackte kurzerhand die Plomben mit der Zange: Endlich wurde es wieder warm in der Wohnung.

Doch die Verzweiflungstat brachte Frau M. jetzt eine Strafanzeige wegen besonders schweren Diebstahls ein. In der Verhandlung vor dem Amtsgericht Reinbek warf der Staatsanwalt der 37-jährigen gestern außerdem Betrug vor: Zweimal soll sie in einem Bergedorfer Textilladen mit der EC-Karte bezahlt haben, obwohl ihr Bankkonto bereits weit überzogen war.

"Mein Mann hatte der Fernwärmefirma Ratenzahlung angeboten. Wir hatten auch schon einen Teil der Schulden überwiesen", versuchte die Angeklagte sich zu rechtfertigen, "doch die Firma ließ sich nicht darauf ein. Die Heizung werde erst wieder angestellt, wenn wir alles bezahlt hätten, bekamen wir zu hören. Weil beide Kinder krank waren, habe ich die Plomben abgekniffen, damit es nicht schlimmer wird".

Den Betrugsvorwurf wollte sie auch nicht auf sich sitzen lassen. Beim Kleiderkauf habe sie fest damit gerechnet, dass die Kindergeldkasse und die Arbeitsagentur Geld überwiesen hätten. Diese Entschuldigung wollte die Richterin nicht gelten lassen: "Die finanzielle Situation Ihrer Familie war seit Langem schwierig. Da hätten Sie sich Ihren Kontostand genau anschauen müssen, bevor Sie bargeldlos bezahlten. Fünfmal wurden Sie wegen ähnlicher Taten zu Geldstrafen verurteilt, da hätten Sie gewarnt sein müssen".

Und weil Frau M. die verplombte Heizung schon einmal mit der Kneifzange wieder angestellt hatte, wurde sie im vergangenen Jahr sogar zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.

Was nun? Der Bewährungshelfer stellte Frau M. ein gutes Zeugnis aus: "Sie und ihr Mann haben wieder Arbeit, die finanzielle Lage der Familie hat sich stabilisiert". Weil die Taten während einer noch laufenden Bewährung begangen wurden, drohte der zweifachen Mutter jetzt trotzdem der Weg ins Gefängnis. Ganz so weit wollte aber auch der Staatsanwalt nicht gehen, er beantragte sechs Monate auf Bewährung. Das Urteil fiel noch etwas milder aus: Fünf Monate, die Richterin setzte die Strafe "mit einigen Bedenken" zur Bewährung aus.