Reinbek (st). Heute kommt der Strom wie selbstverständlich aus der Steckdose: Eine Welt ohne Licht, Herd, Waschmaschine, Fernseher oder Internet ist kaum noch vorstellbar. Doch diese alltägliche Versorgung ist relativ jung.

1899 setzte der Hamburger Uhrmacher Ernst Sperling Reinbek und Wentorf unter Strom - noch bevor im Kreis Stormarn 1912 die erste Überlandleitung errichtet wurde. Darüber referiert Archivar Carsten Walczok am morgigen Dienstag von 19.30 Uhr an in der Volkshochschule, Klosterbergenstraße 2 a. Der Eintritt ist frei.

Ab 23. März 1899 versorgte das E-Werk wenige wohlhabende Haushalte mit Strom. Der erlesene Kundenkreis setzte sich vor allem aus Hamburger Kaufleuten zusammen, die sich ihre Villen in den Vororten der Hansestadt nahe der Bahnlinie errichten ließen. Der Anschluss an das neue Elektrizitätswerk galt ihnen damals, was heute das iPhone oder iPad ihren Besitzern bedeutet: als ein Symbol des Fortschritts.

Sperling ließ die erste Turbine in der alten, leer stehenden Langeschen Getreidemühle am Mühlenteich direkt neben dem Schloss installieren. Ausschlaggebend für den Standort war einerseits die Wasserkraft, andererseits wollten die Villenbesitzer aus der Nachbarschaft kein schweißtreibendes Gewerbe vor ihrer Haustür sehen. Ein Wasserkraftwerk hingegen, das Strom wie in der benachbarten Großstadt bot, war prestigeträchtig und symbolisierte die Zukunft. Noch bis zum Jahr 2000 hatte das E-Werk direkt neben dem Schloss seinen Verwaltungssitz, bevor es an die Hermann-Körner-Straße umzog.

Schon im September des selben Jahres konnte Sperling auch die Gemeinde Reinbek zu seinen Kunden zählen. Im Jahr 1900 sind 74 Stromabnehmer aufgelistet, an die das E-Werk 14 200 Kilowattstunden geliefert hatte. So wurde Reinbek für die Hamburger noch attraktiver. Allerdings war die Elektrifizierung keinesfalls über den ganzen Tag oder flächendeckend verfügbar. Die Straßenlaternen beispielsweise wurden zu später Stunde abgeschaltet.

Heute versorgt das E-Werk 80 000 Menschen mit Energie. Mit dem Auslaufen der Konzessionsverträge in diesem Jahr gibt es eine Rückbesinnung auf die regionalen Anbieter: Auch das E-Werk wird seinen Kundenstamm weiter vergrößern. In diesem Jahr will das Unternehmen sein Versorgungsgebiet schrittweise auf Reinbek, Glinde, Barsbüttel, Oststeinbek und Wohltorf erweitern (wir berichteten).

Walczok wird am Dienstag zwischen 19.30 und 21.15 Uhr mit vielen historischen Bildern zunächst über die Entdeckung der Elektrizität, die Elektrifizierung und dann über die Entwicklung vor Ort bis zur Nachkriegszeit berichten. Auch die Werbung des E-Werks wird der Archivar in seinem Vortrag thematisieren.