Aumühle/Wohltorf (st). Im Schützenhaus Am Lehmberg fühlt man sich fast um 100 Jahre zurückversetzt: Im holzvertäfelten Vereinsheim zieren Geweihe und Wappenteller nicht erst seit gestern die Wände.

Einzig die Porträtreihe der Schützenkönige seit 1953 weist auf den Lauf der Zeit hin. Dort ist noch eine Lücke frei. Die wird nächstes Jahr ein verblüffend junges Gesicht schmücken: Denn der neue König der Schützengilde Sachsenwald Aumühle-Wohltorf von 1919 ist nicht nur eine Frau, sondern auch erst 20 Jahre alt.

Mareike Ahnen wurde ihr Amt quasi in die Wiege gelegt. "Ich bin fast im Verein aufgewachsen", erzählt sie. Ihre Eltern Hanni und Kurt Ahnen haben sich auf dem Königsball der Schützengilde Sachsenwald kennengelernt. Kein Wunder, dass die Auszubildende zur Elektronikerin im Verein ihre halbe Kindheit zugebracht hat. Mit zehn Jahren trat Mareike in die Gilde ein und lernte, wie man mit Luftgewehr, Kleinkalibergewehr und Pistole umgeht. "Ich war immer regelmäßig bei Wettkämpfen, Schießtrainings und Meisterschaften dabei", erinnert sich die junge Frau. "Eben das Übliche . . ." Dass es für eine 20-Jährige alles andere als üblich ist, dem traditionsreichen Schießsport nachzugehen und dann auch noch das höchste Amt zu bekleiden, sieht sie etwas anders.

Der sportliche Ehrgeiz habe sie schnell gepackt: "Am meisten reizt es mich, die nötige Konzentration aufzubringen", beschreibt sie die Faszination ihres Sports. "Außerdem wird in den Team-Wettkämpfen der Zusammenhalt sehr gestärkt." In die Disco geht sie vielleicht zweimal im Jahr: "Party feiern können wir hier doch auch", sagt sie mit einem Achselzucken.

Am Dienstagabend trifft man im Vereinsheim erstaunlich viele junge Gesichter an: Von 83 Mitgliedern sind immerhin 15 jünger als 16 Jahre alt. Dass es in einem Verein mit einem Durchschnittsalter von etwa 60 Jahren eine vergleichbar starke Jugendabteilung gibt, ist zuerst das Verdienst von Hanni Ahnen, die die Gruppe aufbaute. Vor zwei Jahren übernahm Mareike ihr Amt, als ihre Mutter Kreisjugendleiterin wurde. Jetzt hat sie noch mehr Verantwortung.

Beim Königsschießen ahnte niemand, was sie plante. Susanne Geiser brachte sie auf die Idee: Sie würde auch ihre Adjutantin sein. "Wäre doch schön nach zehn Jahren Mitgliedschaft", dachte sich die 20-Jährige. Und die Voraussetzung, das 21. Lebensjahr, hatte sie gerade erreicht. Schließlich entschloss sie sich spontan, "auf König" zu schießen. "Mir haben so die Knie gezittert", erinnert sie sich. Schließlich sei die Königswürde das Höchste, was im Verein zu erreichen sei. Tatsächlich übertraf sie zwei Konkurrentinnen - auch wenn sie das Ergebnis ihres Königsschusses lieber verschweigt. Männer traten nicht an. "Alle haben gejubelt bei der Proklamation", erzählt sie stolz. Jetzt repräsentiert Ahnen als jüngster König im Schützenkreis Sachsenwald ihren Verein. Ihr Freund will von den Schützen bisher nichts wissen. "Aber wir arbeiten dran", sagt Geiser zuversichtlich.