Wentorf (phs). Hildegard Ballerstedt (73) war als Kind oft in der prächtigen Villa ihres Großvaters am Billeweg.

Als 1892 die Cholera in Hamburg wütete, hatte Heinrich Rieck seine Familie erst zur Erholung nach Curslack geschickt. Dann ließ sich der Kaufmann in Wentorf eine Villa bauen. Damit war Ballerstedts Großvater einer von vielen vermögenden Hamburgern, die in der Zeit von 1867 bis zum Ersten Weltkrieg das schöne Billetal für sich entdeckten. Denn Bauplätze an Elbe und Alster waren teuer geworden. In dem bis dahin bäuerlich geprägten, armen Wentorf brachen herrschaftliche Zeiten an. Für die Gemeinde bedeutete es den "Aufbruch in die Moderne". Diese bewegte Zeit zwischen 1870 und 1910 ist das Thema einer Sonderausstellung im Rathaus.

Anlässlich der vierten Kulturwoche hat das Gemeindearchiv in Zusammenarbeit mit Hildegard Ballerstedt und Wolfgang Blandow vom Bürgerverein zahlreiche Fotos, Karten, Dokumente und Texte zusammengestellt. Auf 22 Tafeln kann man diese "faszinierende Epoche", so Gemeindearchivar Dr. William Boehart bei der Eröffnung, nachvollziehen. Gezeigt wird unter anderem das alte Bauerndorf Wentorf, das um den Anger herum lag. Er ist noch heute im Bereich der Hauptstraße zu erkennen. Dokumentiert wird zudem die rasante Entwicklung von Gewerbe und Handwerk, des politischen sowie kulturellen Lebens.

Auf kolorierten Grußpostkarten ist Wentorf als Ausflugsort zu sehen. Durch die Eröffnung der Eisenbahnlinie zwischen Hamburg und Berlin 1846 strömten an den Wochenenden bald tsausende Hamburger vom Reinbeker Bahnhof aus in die Sommerfrische nach Bergedorf, Aumühle und Wentorf. Viel bestauntes Ziel der Ausflügler waren später auch die prächtigen Villen.

Hildegard Ballerstedt hat für ihre Magisterarbeit über die Geschichte des Villenviertels vor acht Jahren Zeitzeugen befragt und von ihnen viele Fotos bekommen. Einige davon sind im Rathaus zu sehen, darunter auch das Anwesen ihres Großvaters, das die Familie am Billeweg liebevoll erhalten hat.

Die Ausstellung läuft bis 2. Juli im Wentorfer Rathaus, Hauptstraße 16.