Reinbek (amü). Dass er den Sprung von Lübeck nach Reinbek gemacht hat, darüber ist Dirk Relling froh. Seit einem halben Jahr arbeitet der Sozialpädagoge in der Villa neben dem Rathaus, wo das Reinbeker Büro des Kreis-Jugendamtes untergebracht ist.

"Das Stormarner Amt hat einen guten Ruf und soziale Brennpunkte wie in der Hansestadt gibt es hier zum Glück nicht", sagt er.

Dennoch haben die vier Mitarbeiter genug zu tun. Auch in der idyllischen Kleinstadt wachsen Kinder in zerrütteten Familien auf, werden mit finanziellen oder psychischen Problemen der Eltern konfrontiert oder schwänzen die Schule. An einen extremen Fall von Verwahrlosung kann sich Eva Podgurski nicht erinnern. Aber seit das öffentliche Interesse durch Medienberichte über halb verhungerte und von ihren Eltern misshandelte Kinder sensibilisiert wurde, gehen auch bei der Sozialarbeiterin und Familienberaterin häufiger Hinweise von Bürgern ein, die sich um das Wohl von Kindern sorgen.

"Wir gehen jedem Hinweis nach, besser einmal zu viel als einmal zu wenig", sagt Podgurski, die seit 17 Jahren in Reinbek arbeitet. Etwa 600-mal pro Jahr müssen sie an fremden Türen klingeln, sich nach Lebensbedingungen erkundigen, Wohnungen in Augenschein nehmen.

"Wenn Kinder in Obhut genommen werden müssen, geschieht das in der Regel mit Zustimmung der Eltern - etwa zehnmal pro Jahr", sagt sie. Das Sorgerecht mussten die vier Mitarbeiter noch keiner Familie entziehen. "Werden Kinder oder Jugendliche auffällig, ist es immer unser Ansatz, mit den Eltern in Kontakt zu treten", sagt sie. Problemlösungen werden an einem Tisch, zusammen mit Schule und Beratungsstellen gesucht. "Die Netzwerke in Reinbek sind einmalig", lobt sie.

Und dass sie mit dem Eingreifen in die persönliche Sphäre zum Wohle des Kindes auch Erwachsenen hilft, hat sie am Beispiel einer Mutter, die inzwischen nicht mehr in Reinbek lebt, in guter Erinnerung. Der Hinweis einer besorgten Nachbarin führte sie damals in eine der besten Wohngegenden. Der Haushalt war gepflegt, die Kinder in liebevoll eingerichteten Zimmern untergebracht. Der Verdacht, dass die Mutter häufig alkoholisiert ist, bestätigte sich beim Besuch nicht. Erst als sie die Kinder betrunken mit dem Auto von der Schule abholte, schritt das Jugendamt ein. Weil der Mann nicht zu erreichen war, wurden die Kinder bei Verwandten untergebracht, die Mutter stellte sich einer Entgiftung. "Sie hat sich später bei mir bedankt", sagt Podgurski, die schon in vielen Fällen versucht hat, das Mosaik zu entschlüsseln, das zu Problemen führt.

So seit kurzem bei auffällig vielen perspektivlosen, pubertierenden Jugendlichen. Zurzeit gebe es in der Stadt etwa 15 Schulverweigerer. Dabei wünscht sie sich, dass es so einfache Lösungsmöglichkeiten gebe wie häufig in Doku-Serien suggeriert werde. "Einen Zauberstab haben wir nicht. Ich frage die Eltern, wann die Probleme begonnen haben und bringe ihnen schonend bei, dass es mindestens wieder solange dauert, sie zu lösen."

Und gibt es Schwerpunkte, die an Stadtteilen festgemacht werden können? "Das wechselt", hat Podgurski beobachtet. "In Neubaugebieten haben wir wenig zu tun. Erst nach etwa fünf Jahren beginnen die Probleme, die Kinder werden größer, die ersten Scheidungen oder finanzielle Probleme belasten die Familien. Dann erleben wir häufig, dass Eltern an ihrer Erziehungsfähigkeit zweifeln", haben die Mitarbeiter beobachtet, die in ihren Sprechstunden Hilfe anbieten. "Unsere Arbeit ist immer eine Gratwanderung", sagt Relling. Die Erwartungen an das Jugendamt seien bei vielen hoch. "Häufig werden wir gefragt: Warum macht Ihr nichts? Aber wir können die Eltern zu nichts zwingen", fügt er hinzu.

Eva Podgurski engagiert sich im "Reinbeker Bündnis für Familie". Die Projektgruppe hat ein Faltblatt entworfen, das Familien und Alleinerziehenden einen Überblick über Beratungsangebote gibt. Infos: (040) 72 73 20 11.