Aumühle (ru). Margot Freifrau von Tettau weiß, was es bedeutet, die Heimat und die Wurzeln der Familie zu verlieren. Die 81-jährige Aumühlerin gehört zu den Millionen Kriegsflüchtlingen, die im Zweiten Weltkrieg aus Ostpreußen fliehen mussten. Im Westen angekommen, begann sie, sich für die soziale Integration der Heimatvertriebenen einzusetzen.

Aus dieser ehrenamtlichen Arbeit sind mehr als fünf Jahrzehnte geworden.

Für Margot von Tettau bedeutet die Ehrung die Auseinandersetzung mit vielen Erinnerungen. "Ich war 16 Jahre alt, als ich mit meiner Mutter und meiner Schwester aus Zoppot geflohen bin", erinnert sie sich. Die Familie hatte trotz des großen Leids im Krieg viel Glück: Dass sie noch lebt, verdankt die agile Aumühlerin zunächst ihrer Mutter. Die hatte Karten für die Wilhelm Gustloff, das Flüchtlingsschiff, das später von einem russischen U-Boot versenkt wurde und 9000 Menschen mit in den Tod riss. "Meine Mutter hatte ein ungutes Gefühl", erinnert sich von Tettau. Die Stationen ihrer Flucht waren Österreich, Thüringen und Bayern. "Von dort sind wir zu Fuß bis nach Rinteln an der Weser gelaufen." Dort begann sie eine Ausbildung zur Dentistin.

Die alte Dame hat sich nie unterkriegen lassen. Nach dem Krieg fand sie über das Deutsche Rote Kreuz ihren Vater wieder, die Familie konnte zusammen ein neues Leben beginnen. Verzichten musste die junge Frau allerdings auf ihre Ausbildung. "Ende der 1940er-Jahre war es einem jungen Mädchen unmöglich, allein zu leben. Ich musste mit den Eltern mitziehen nach Wentorf, wo mein Vater Artur Hinrichs seine erste Stelle als Lehrer antrat." 1947 lernte sie ihren Mann, Wolfgang Freiherr von Tettau, kennen, den sie zwei Jahre später heiratete. Sie bekamen einen Sohn und erlebten 50 glückliche Jahre als Ehepaar.

Obwohl sie selbst ein schweres Schicksal hatte, begann die Aumühlerin bereits Anfang der 1950er Jahre, sich für die vielen Flüchtlinge in Wentorf einzusetzen. "In der Kaserne waren 10 000 Menschen untergebracht", erinnert sie sich. Niemand wollte die Ostflüchtlinge damals haben. Viele Familien waren zerrissen, alte Leute verzweifelt, sie hatten alles verloren. Beherzt machte sich von Tettau ans Werk: Lebensmittel, Kleidung, Geld, Arbeit - alles fehlte und musste organisiert werden. Besonders wichtig waren in dieser Zeit die persönlichen Kontakte. Als die ersten Vertriebenenverbände gegründet wurden, war Margot Freifrau von Tettau dabei. Auf das erste Ehrenamt folgten viele weitere. Bis vor zwei Jahren war sie im "Bund der Danziger" in Lübeck aktiv. Sie war dort Vorstandsmitglied und Mitbegründerin der Frauenarbeit, hat sich als Bundeskulturreferentin und Landesfrauenreferentin engagiert.

Der Vorschlag zur Ehrung kam von Tettaus Sohn Michael. "Irgendwann hat er all die Urkunden und Auszeichnungen gesehen und sich gewundert, wie viel ich gemacht habe", sagt die alte Dame und lächelt. Sie ist dankbar für ihr Leben und andere sind es für das, was sie in den vergangenen 50 Jahren geleistet hat.