Reinbek. Die Vergangenheit der Sachsenwaldschule kann fruchtig-süß schmecken und am besten auf einem Frühstücksbrötchen oder als liebliche Kruste auf Hähnchenbrustfilet.

Der Apfelbaum, aus dem Schulleiterin Renate Stapel ein goldfarbenes Gelee zaubert, steht schon seit der ersten Schulstunde 1925 im Garten des ehemaligen Direktorenhauses und liefert treu jedes Jahr Glockenäpfel. Tradition und Moderne stehen nicht im Widerspruch, sondern gehen an der Schulstraße 19 in Reinbek eine gelungene Verbindung ein. "Die Begegnung mit dem Alten erzeugt eine hohe Identifikation mit unserer Schule", ist Stapel sich sicher.

Der imposante, rote Backsteinbau mit seiner ausgefeilten Bogenarchitektur beeindruckt selbst noch Gymnasiasten, die vor 60 Jahren dort ihr Abitur abgelegt haben. Dieter Lindemann (79) und Bernhard Donati (80) folgten der Einladung der Schulleiterin, mit ihr einen Rundgang durch das Gebäude zu machen.

Erste Erinnerungen werden schon in der Eingangshalle wach. "Sie hat den gleichen Reiz wie früher auf mich", sagt Donati. Sofort kann er sich daran erinnern, dass die jetzt in frischem Gelb gestrichenen Wände zu seiner Zeit türkis-grün gewesen sind. Die immer noch bei Schülern beliebte Brunnenfigur spendete ihm 1939 mit ihrem Wasser Erfrischung zwischen Matheformeln und Lateinvokabeln. Allein - heute sprudelt sie nicht mehr, man trinkt Wasser lieber aus Flaschen.

Der Geist des Hausmeisters Roloff scheint jedoch noch heute in den Fluren des Gymnasiums allgegenwärtig zu sein. "Der Haupteingang war für uns Schüler verschlossen. Wir mussten die Schule durch den Keller betreten. Nach der Pause mussten mehr als 200 Kinder am Hintereingang auf den Hausmeister warten, dann geordnet an ihm vorbeigehen. Wir mochten ihn, hatten aber einen Heidenrespekt", erinnert sich Lindemann. Er und seine sechs Brüder haben alle auf der Sachsenwaldschule Abitur gemacht. Beim Gang durch die Schulflure merken die Senioren schnell: An manchen Stellen scheint die Zeit seit 60 Jahren still zu stehen, andernorts hat sich so viel verändert, dass Lindemann ein "Donnerwetter, kaum zu glauben!" entfährt.

Seinen Mantel hängt er an eine Garderobe, die schon seit 1925 Schülerkleidung ordnet. Auch die Aula sieht bis auf eine neue Bestuhlung und die fehlenden Fresken noch so aus wie früher: weiße Decken mit Stuckverzierung, Lampen von der Bauhaus-Ära inspiriert, eine Empore, von der aus seit Generationen Eltern, Lehrer und Schüler Theateraufführungen und Konzerten auf der Bühne applaudieren. Und bunte Glasfenster, die mittlerweile denkmalgeschützt sind und in denen sich der Schulverband vor 84 Jahren verewigt hat. Demgegenüber führen Flure die Gäste in freundlich gestaltete Klassenzimmer, die nichts mehr mit den Unterrichtsräumen von einst und der Atmosphäre von absoluter Autorität und unbedingtem Gehorsam zu tun haben. In der gemütlichen und modernen Bibliothek lassen sich die Senioren vergnügt auf dicken Kissen am Boden nieder. Im Physikraum hingegen blicken sie erstaunt zur Decke. Dort hängen sogenannte Energiearme - modernste Technik für die Schülergeneration 2009. Dort, wo sie früher in der Gymnastikhalle auf Matten turnten, sind heute Klassenräume untergebracht. Die größte Überraschung birgt jedoch der neue Computerraum. Statt mit grüner Tafel und weißer Kreide arbeitet Lehrerin Dr. Sylke Brademann mit einem interaktiven Whiteboard - einer elektronischen Tafel, die mit einem Computer verbunden ist. Sie gestaltet ihre Tafelbilder auf einem Board, verschiebt die einzelnen Elemente mit einem speziellen Stift. Das Ergebnis ist automatisch im PC gespeichert. "Darf ich auch mal?", fragt der 79-jährige Lindemann neugierig. Und tatsächlich, es funktioniert. Wirklich glauben kann er nicht, was er sieht. Obwohl er daheim selbst einen Computer und drei Enkel hat, die ihn technisch auf dem Laufenden halten.

Stärkung bei der Reise in die Vergangenheit und dem Gang durch die Moderne gibt es bei einem Kakao. Nicht wie einst warm und aus dicken, braunen Porzellantassen bei Hausmeister Roloff, sondern frisch gekühlt aus Tetra-Paks mit Strohhalmen in der neuen Mensa in der ehemaligen Pausenhalle. "Schmeckt prima", sagt Donati und erzählt den Müttern, die täglich 450 Brötchen und 100 Mittagessen an hungrige Schüler verteilen: "Der kostete zu meiner Zeit 15 Pfennig." Für Schulleiterin Renate Stapel ist die neue, von Eltern ehrenamtlich geführte Mensa der beste Beweis für den "unglaublichen Gemeinschaftsgeist", der an der modernen, aber traditionsreichen Schule herrsche.

Ein Gymnasium, an das sich Schüler auch nach 60 Jahren noch gern erinnern.