Reinbek. Wenn Julia Schober in ihrem Rollstuhl die zwölf Meter lange Rampe in der Grundschule Klosterbergen herunterfährt, halten Beobachter unwillkürlich den Atem an. Auf der ersten Geraden nimmt die Neunjährige richtig Fahrt auf, bremst kurz vor der engen Kurve souverän ab, nimmt die zweite Gerade ebenso rasant wie die erste, biegt dann rechts ab und bleibt direkt mit einem spitzbübischen Lächeln und strahlenden Augen vor den Zuschauern stehen.

"Da staunste, was?", scheint sie nach der kleinen Vorführung zu denken.

Die Rampe, die am 25. Februar offiziell eingeweiht wird, ist für sie ein großer Schritt in die Selbstständigkeit. Bislang musste die Drittklässlerin einmal durch die Schule und dann quer über den Pausenhof fahren, um zum Unterricht zu kommen. Eine provisorische Rampe war auf der Rückseite des Gebäudes angebracht. Die vier Stufen im Eingangsbereich, die sie von ihrem Klassenraum trennen, sind für das Mädchen mit dem Rollstuhl unüberwindbar - obwohl sie eine kleine Kämpferin ist.

Die Neunjährige, die von ihren Eltern liebevoll "Julchen" genannt wird, hat sich ihren Platz im Leben erobern müssen. Nur 950 Gramm wog das Neugeborene, als es in der 26. Schwangerschaftswoche auf die Welt kam. Sechs Monate wurde sie im Universitätskrankenhaus Eppendorf aufgepäppelt und mit modernster Medizin auf das Leben vorbereitet, bis sie endlich nach Hause durfte. "Echt, so war das?", ruft Julia erstaunt, als sie ihre Mutter von ihren ersten Lebensmonaten erzählen hört. Zum Beweis holt ihr Vater, Marco Schober, ein Bild hervor, auf dem die kleine Julia auf dem Sofa neben einer schwarzen Katze liegt. Das Haustier ist noch größer als das friedlich schlummernde Baby. Ein Bild, das rührt.

Dass sich der Start ins Leben so schwierig gestaltete, kann man kaum glauben, wenn man das aufgeweckte Mädchen kennenlernt. Einzig der schmale Rollstuhl und ihre leicht verkrampfte Hand- und Fußstellung lassen ahnen, dass die kleine Reinbekerin viel durchgemacht hat. "Julia hatte während der Geburt eine kleine Gehirnblutung. Die Folge sind Spastiken in den Händen und Beinen", erklärt ihre Mutter Britta Schober. Sie erzählt von Operationen, Rehakliniken und vielen, vielen Therapiestunden, die Julia in ihrem jungen Leben durchgemacht hat. "Sie fing erst mit zweieinhalb Jahren an zu krabbeln, laufen konnte sie gar nicht", so die 39-Jährige. Dass ihre Tochter sich sogar streckenweise an einem Rollator fortbewegen kann, sogar Gehhilfen benutzen könnte, hat sie der Medizin, aber auch ihrer Tapferkeit und ihrem Ehrgeiz zu verdanken. Nur gerade hat Julia einen kleinen Hänger. "Sie ist mit den Krücken gestürzt, traut sich jetzt nicht mehr", sagt ihr Vater.

Er und seine Frau sind unglaublich froh, dass ihre Tochter trotz ihres körperlichen Handicaps ganz normal die Grundschule Klosterbergen besuchen kann. Einziger Unterschied zu den Klassenkameraden: Julia hat eine Schulbegleiterin, die ihr im Unterricht zur Seite steht. "Die Schulleiterin Katrin Rabe hat sich von Anfang an sehr für Julia eingesetzt. Dafür sind wir unheimlich dankbar. Bei den anderen Kindern ist sie voll akzeptiert", so Marco Schober. Nur manchmal, da muss er seine Tochter doch aufmuntern. Wenn sie nicht wie die anderen Kinder im Sand spielen oder auf die Spielgerüste klettern kann und schmerzlich merkt, dass sie körperlich eingeschränkt ist.

"Julia steckt voller Tatendrang, sie hat unglaublich viel Energie. Sie würde sich so gern mehr bewegen", weiß ihre Mutter. Toben, eine unter Gleichen sein, dass kann Julia, stolze Besitzerin von zwei Wellensittichen, bei der Rollsportgruppe im Unfallkrankenhaus Boberg. Einmal in der Woche spielt sie dort mit anderen Kindern, übt Geschicklichkeitsfahren mit ihrem Rolli. Sonntags tobt sie sich im Schwimmbad aus. Eine normale Kindheit mit kleinem Handicap.