Reinbek. Heute heißt es für Sigrid H. improvisieren. Ihre Töchter feiern mit der 50-Jährigen traditionell Heiligabend. Wie jedes Jahr gibt es gebratene Ente. Diesmal wird das Menü allerdings mit Handicaps serviert.

Weil die Schlafzimmerwände verschimmelt sind, campiert eine Reinbekerin im Wohnzimmer.

Die schlanke Kundenberaterin muss die Teller vorbei an Luftmatratzen, Decken und Kartons voller Kleidung jonglieren. Denn zurzeit findet das Leben in der 47 Quadratmeter großen Wohnung in einem Zimmer statt. Den Schlafraum kann Sigrid H. seit Wochen nicht mehr nutzen. Die Wände sind voller Schimmel.

Dabei fing alles so traumhaft an. Die Glinderin hatte für sich und ihre Katze eine Erdgeschosswohnung gesucht und für den Umzug gespart. "Ich habe die Wohnung im Sommer besichtigt und war begeistert von der grünen Anlage", erinnert sie sich. Auch die Miete stimmte mit 455 Euro warm. Der Einzug folgte im Oktober. Die "Puppenstube" wurde eingerichtet, dunkles Laminat und Hamburger Fußleisten verlegt.

Doch aus dem Traum wurden schnell Alpträume. "Ich schlief schlecht, wusste aber nicht warum", schildert sie die ersten gesundheitlichen Probleme. "Eines Nachts wachte ich auf und bekam keine Luft mehr." Und dann wurde das Problem sichtbar: Dort, wo die Wände erst weiß aufblühten, bildete sich langsam grüner Schimmel. Bereits einem Monat nach ihrem Einzug offenbarte sich das Desaster im Schlafzimmer.

Sigrid H. meldete den Schaden ihrer Hausverwaltung. Am 6. November überprüfte ein Mitarbeiter die Wände mit einem elektronischen Messgerät, einer Gann-Hydromette. Die Diagnose war schnell gestellt: "Die Feuchtigkeitsbildung ist ausschließlich auf Kondenswasserbildung und somit mangelhaftes Heizen und Lüften zurückzuführen", hieß es in einem Schreiben der Hausverwaltung. Auf dem Kulanzwege wurde eine Behandlung mit Schimmelentferner und ein Neuanstrich angeboten.

Doch die 50-Jährige war alarmiert. Inzwischen hatte sie erfahren, dass schon ihr Vormieter ein Schimmelproblem hatte. Sie wandte sich an den Mieterverein zu Hamburg, der einen Gutachter empfahl. Der Architekt Jörg Oppenhäuser inspizierte die Räume und kam zu einem anderen Ergebnis: Die Schäden seien auf bauseitige Mängel zurückzuführen. Der Mieterverein nahm sich der Sache an und forderte für die Mieterin Schadensersatz in Höhe von 3700 Euro.

Sigrid H. möchte jetzt so schnell wie möglich ausziehen und auch die Wohnungsgesellschaft dringt auf Beendigung des Mietverhältnisses: "Nach allem sind auch wir an einer Weiterführung des Mietverhältnisses mit ihrem Mitglied nicht interessiert, da unsere Bausubstanz geschädigt wird. Insofern wären wir ohne Präjudiz bereit, einer Auflösung des Mietverhältnisses zum 31. Dezember zuzustimmen", heißt es in einem Schreiben vom 12.Dezember. Sigrid H. möchte jedoch vorher ihre Kosten ersetzt haben: "Ich habe vier Jahre auf den Umzug gespart. Das Geld möchte ich zurückhaben", sagt sie und unterstellt der Gesellschaft ihrerseits, dass die Schäden bekannt waren.

Rüdiger Braun, Sprecher des Wohnungsunternehmens Erich Thor, bestätigt, dass der Vormieter Schimmelprobleme hatte. Die wurden jedoch durch eine "fungizide Behandlung" beseitigt. "Die Wohnung wurde schimmelfrei übergeben", versichert er. Der neue Befall sei falschem Lüften und mangelhaftem Heizen anzulasten, erklärt er und führt weiter aus: "Die Luftfeuchtigkeit war mit 75 Prozent dramatisch hoch. Das blanke Wasser lief an den Wänden runter", habe ein Mitarbeiter bei der Begehung festgestellt. In der Wohnung habe es 40 Jahre kein Schimmelproblem gegeben, versichert Braun. In den 160 Wohnungen der Siedlung um den Insterburger Weg seien bisher keine Probleme bekannt. Jetzt soll ein Datenlogger, der Luftfeuchtigkeit und Lüftungsverhalten misst, weitere Fakten liefern. "Bevor wir die Ergebnisse haben, werden wir auf keine weiteren Forderungen eingehen", so Braun.

Eine schöne Bescherung, meint Sigrid Hauff und freut sich, dass sie morgen in der Wohnung ihrer Tochter schlafen kann.