Reinbek. Manchmal wäre es für Norbert Dähling einfacher, kurz mal nach Barcelona zu fliegen, als in Reinbek eine öffentliche Toilette für behinderte Menschen zu finden. So jedenfalls kommt es dem 62-Jährigen vor.

Norbert Dähling kennt die Tücken des Alltags. Jetzt soll ein offizieller Behindertenbeauftragter helfen.

Während im Süden Europas ein stilles Örtchen für Behinderte allerorten eine Selbstverständlichkeit ist, müssen der Groß- und Außenhandelskaufmann und andere Betroffene in Reinbek weite Wege zurücklegen. "In einigen Supermärkten der Stadt müssen sich behinderte Menschen an der Kasse sogar ausweisen, um den Toilettenschlüssel zu bekommen", sagt Dähling. Ein Prozedere, das umständlich, zeitaufwendig und demütigend ist. Das hätte er selbst vor acht Jahren nicht gedacht. "Als gesunder Mensch macht man sich über so etwas einfach keine Gedanken. Dabei kann es jeden treffen", sagt der Reinbeker.

Seit 2001 ist er an Multipler Sklerose erkrankt, mittlerweile auf den Rollstuhl angewiesen. Eines würde ihm im Alltag sehr helfen: Ein kompetenter Ansprechpartner, der beispielsweise weiß, welche Apotheken, Ärzte, Physiotherapiepraxen und Kultureinrichtungen barrierefrei, also auch problemlos mit Rollstuhl zu erreichen sind. Ein Fachmann, der auch Tipps geben kann, wo in Reinbek behindertengerechte Wohnungen gebaut werden. Genau so jemanden soll es in der Stadt bald geben. Der Sozialauschuss befürwortete auf seiner letzten Sitzung einen sogenannten Behindertenbeauftragten auf ehrenamtlicher Basis. Stimmt die Stadtverordnetenversammlung auf ihrer Sitzung im Januar zu, naht bald Hilfe für Norbert Dähling und andere Menschen mit Behinderung. Die Idee war von "Senioren helfen Senioren" an die Politik herangetragen worden. "Eigentlich ist es absolut unverständlich, dass es so jemanden bislang in Reinbek noch nicht gibt", gab Dähling den Kommunalpolitikern mit auf den Weg.

Er weiß, wie schwierig es für Behinderte ist, die eigenen Interessen durchzusetzen. Ein schmaler Grat zwischen dem freundlichen Werben um Verständnis und knallharten Verhandlungen. Selten gehen dem freundlichen Mann die Nerven durch. Aber wenn ihm zum dritten Mal in einer Woche gedankenlose Autofahrer den einzigen rollstuhlgerechten Zuweg zum Jürgen-Rickertsen-Haus versperren, wird es auch ihm zu bunt. Mit einem Anruf beim Ordnungsamt macht er dann seinem Ärger, aber auch seiner Hilflosigkeit Luft.

"Die meisten Menschen sind jedoch sehr hilfsbereit", weiß Dähling. Ein Erlebnis geht ihm allerdings nicht mehr aus dem Kopf: "Als ich mit dem Bus fuhr, hat sich eine Frau mit großen Einkaufstaschen so an mir vorbei gedrängelt, dass mein Gehwagen aus der Bustür fiel. Zwei junge Leute haben mich im letzten Moment festgehalten. Die Frau rief: ,Was müssen die Bescheuerten auch zur Hauptverkehrszeit Bus fahren.'" Da hat sich Norbert Dähling tagelang zu Hause eingeigelt, ist zwei Jahre nicht mehr mit Bus und Bahn gefahren.

Ihm und seinen Mitstreitern wäre es am liebsten, wenn zwei Menschen - einer mit Behinderung, einer ohne - als Beauftragte eingesetzt würden. "Sie sollen den Betroffenen helfen und gleichzeitig das Verständnis füreinander stärken."