Gut erholt hatte Jörg Seemann (55) sich montags auf den Weg zur Arbeit gemacht. Drei Wochen Mallorca lagen hinter ihm. Doch das Werkstor an der Carl-Zeiss-Straße blieb für den Reinbeker verschlossen.

Seit die Puls GmbH Insolvenz angemeldet hat, stehen zehn Fahrer ohne Geld auf der Straße.

. Mit zehn Kumpels der Puls Entsorgungs GmbH stand er auf der Straße. "Die Firma gibt es nicht mehr, hatte man uns gesagt." Dass er nach 29 Jahren Betriebszugehörigkeit wie ein Hund vom Hof gejagt wurde, hat er immer noch nicht verkraftet. Hintergrund: Die Köppe-Gruppe und die dazugehörende Puls Entsorgungs GmbH hatten am 6. Oktober Insolvenz angemeldet.

Seitdem hängen vor allem die ehemaligen Kraftfahrer für Entsorgung in der Luft. Sie wurden nicht entlassen, haben aber auch keine Arbeit. Weil sie zudem aufgefordert wurden, "telefonisch erreichbar zu sein" konnten sie sich nicht arbeitslos melden. Insolvenzgeld gibt es auch nicht. Ein Vorschuss wurde vom vorläufigen Insolvenzverwalter bisher nicht bei der Arbeitsagentur beantragt.

Seemann und seine Kollegen bekommen seit September keinen Lohn mehr und müssen ihre Familien von Ersparnissen und Überziehungskrediten über Wasser halten. "Bei der Arbeitsagentur hatte man mir nur gesagt, fahren sie doch nach Bad Oldesloe zum Sozialamt, wir können nichts machen", sagt er.

Auch der Geesthachter Oskar Hettich (59) muss seine Ersparnisse angreifen. Nach 29 Jahren in einer Firma unverschuldet ohne Arbeit und ohne Geld dazustehen macht ihn wütend. Der Glinder Dieter Schmidt (48) hätte ebenfalls im April 30 Jahre Betriebszugehörigkeit feiern können. "Ich stand so unter Schock, dass eine Woche gar nichts mehr lief", sagt er. Das Haus muss abbezahlt werden, die beiden Kinder (17,19) sind noch in der Ausbildung. "Wir versuchen jetzt, mit dem Gehalt meiner Frau über die Runden zu kommen und müssen auch mit den hohen Zinsen unseren Überziehungskredit ausschöpfen." Karsten Lehmann (48) ist ebenfalls empört, dass man andere Leute sieht, die auf den Hof fahren und die Arbeit weiter machen. Der Reinbeker musste bei der Bank einen Kredit aufnehmen. Die langjährigen Mitarbeiter fühlen sich kalt ausgesperrt und billig entsorgt.

"Wir sind über den Tisch gezogen worden. Man hat uns Überstunden abreißen lassen, die schon im Juni nicht mehr bezahlt wurden", sagt Betriebsrat Heino von Deyn (49). Der Bergedorfer ist 17 Jahre für Puls gefahren.

Der neue Geschäftsführer der Firma, die jetzt Dienstleistungen für Entsorgungen aller Art von Sperrmüll bis Entrümpelungen anbietet, ist den Männern nicht unbekannt. Carsten Beckmann arbeitete bis vor kurzem bei der Köppe Gruppe und sah die Chance, sich selbstständig zu machen. Beckmann ist Geschäftsführer der Firma ETH Entsorgungsmanagement GmbH und 100-prozentiger Gesellschafter der Firma ETH Umwelttechnik GmbH. Damit ist er sein eigener Mieter. Die ETH Umwelttechnik hat das Grundstück und die Produktionshalle an der Carl-Zeiss-Straße noch vor Anmeldung der Insolvenz erworben und vermietet es an die Management GmbH. Die Köpu-Sortieranlage werde in den kommenden Wochen zerlegt und die Halle als Lager genutzt.

Nicht richtig sei, dass ETH das Firmenkapital übernommen habe. Die Lkw gehörten der Köppe AG oder waren geleast. Die Verträge wurden gekündigt, der Sitz der Firma Puls, nach Geesthacht verlegt. Seine neue Firma ETH habe ein anderes Konzept. Und weil er keinen eigenen Fuhrpark habe, könne er auch keine Fahrer beschäftigen. "Wir verstehen uns ein Stückweit als Makler und arbeiten mit Subunternehmen zusammen", sagt Beckmann. Das sei die einzige Chance, sich in der Branche über Wasser zu halten.

Eine gute Nachricht gibt es zumindest. Der Sprecher der Arbeitsagentur Bad Oldesloe hat das Anliegen inzwischen zur Chefsache erklärt und alle Zweigstellen angewiesen, in diesem Fall Arbeitslosengeld zu gewähren. "Sie haben darauf Anspruch", sagt Stefan Schröder. "Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ohne Arbeitsleistung und ohne Lohnzahlung fortbesteht, können unabhängig von einem etwaigen Insolvenzgeldanspruch Arbeitslosengeld bei der Agentur an ihrem Wohnsitz beantragen", versprach er auf Anfrage unserer Zeitung. Parallel empfahl er, auf eigene Initiative Insolvenzgeld zu beantragen, das für drei Monate auch rückwirkend gezahlt werde.